Agrarpolitik in Niedersachsen - Marianne König im Interview

Marianne König im Interview.Am 20. Januar 2013 wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Vor fünf Jahren zog DIE LINKE mit einem Ergebnis von 7,1 Prozent erstmals in den Landtag ein und ist mit zehn Abgeordneten im Parlament vertreten. Seitdem arbeitet Marianne König als agrarpolitische Sprecherin der Niedersächsischen Linksfraktion. Für 2013 steht sie auf Platz 5 der Landesliste. Über die Bedeutung der Agrarpolitik in Niedersachsen und die Aussichten auf die bevorstehenden Landtagswahlen sprach mit Marianne König NL-Redakteur Christian Rehmer.


Frage: Was war für Dich agrarpolitisch in der vergangenen Wahlperiode am überraschendsten, was am traurigsten?

Antwort: Freudig überrascht war und bin ich immer noch von der überaus großen Sensibilisierung der Menschen in Niedersachsen für das Thema Massentierhaltung. Das steigende Verbraucherbewusstsein hat mich im Engagement für eine artgerechte, sozial- und umweltverträgliche Tierhaltung bestärkt und auch den Fachbereich Landwirtschaft innerhalb der Partei in Niedersachsen nachhaltig gefestigt. Traurig gemacht oder vielmehr schockiert hat mich die bodenlose Frechheit des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff, eine Lobbyistin der industriellen Geflügelzüchter in den Stand der Landwirtschaftsministerin zu heben. Kein Wunder, dass sie vorzeitig den Hut nehmen musste. Allerdings wurde die frühere Agrarministerin Astrid Grotelüschen knapp 24 Monate nach ihrem Rausschmiss schon wieder auf der CDU-Liste für die Bundestagswahl platziert. Das spricht für sich.


Frage : Am 10. November gingen in Hannover über 2.000 Menschen für eine andere Agrarpolitik auf die Straße. Unter dem Motto „Wir haben es satt“ forderten sie eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft. Hat sich DIE LINKE an den Protesten beteiligt und was sind Eure Forderungen?

Antwort: DIE LINKE hat sich nicht nur beteiligt, sondern im Vorfeld zur Demo aufgerufen und auch unter den eigenen Mitgliedern mobilisiert. Die hiesige LAG Landwirtschaft, Ernährung, Verbraucherschutz war zahlreich vertreten und ich selbst habe einen Redebeitrag gehalten, der für ein Umdenken in der Agrarpolitik Niedersachsens geworben und unsere Forderungen nach einer vielfältigen, fairen, bäuerlichen Landwirtschaft mit besseren Erzeugerpreisen und Löhnen, artgerechter Tierhaltung und mit mehr Ökolandbau deutlich gemacht hat.


Frage: Niedersachsen ist das Land der Tierproduktion. Dies wird von vielen kritisiert. Wie seht Ihr das? Wie sieht für DIE LINKE eine nachhaltige Tierhaltung aus?

Antwort: Niedersachsen gilt als bedeutendstes Agrarland Deutschlands. Die hiesige Ernährungsindustrie ist das zweitstärkste Wirtschaftssegment des Landes, wobei die Tierproduktion enorme Wachstumsraten verzeichnet und inzwischen in die ganze Welt exportiert. Die globalen Auswirkungen, wie der steigende externe Flächenverbauch für Futtermittelimporte und die Zerstörung lokaler Märkte in Entwicklungsländern, werden billigend in Kauf genommen, während die Massentierhaltung in Niedersachsen selbst ebenso erhebliche Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Nutztiere wird hierzulande unter industriellen Bedingungen in hoher Tierdichte in Ställen mit insgesamt großen Tierzahlen gehalten. Diese extreme Besatzdichte erzwingt die massenhafte Behandlung der Tiere mit Antibiotika, was wiederrum Auswirkungen auf die menschliche Gesundheitsfürsorge hat. Dabei bringen die Erzeugerpreise nicht mal eine langfristige Kostendeckung und bedingen so die rasanten Konzentrationsprozesse im Agrarbereich, welche immer mehr Höfe sterben lassen und schließlich immer weniger Dörfer traditioneller Prägung mit bäuerlicher Landwirtschaft zur Folge haben. Die niedrigen Erzeugerpreise blenden zudem die hohen gesellschaftlichen Folgekosten der immer intensiveren Tierproduktion aus und bürden diese dem Steuerzahler, der Umwelt und den nachfolgenden Generationen auf. DIE LINKE fordert im Gegensatz zu dieser Politik, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht dem Markt allein überlassen werden darf. Bäuerinnen und Bauern brauchen Erzeugerpreise, die ein Mindesteinkommen sichern. Zudem soll eine artgerechte Tierhaltung stärker gefördert, die Umweltauswirkungen der Massentierhaltung drastisch reduziert und der Verbraucherschutz verbessert werden. Dafür muss auf Landesebene endlich ein klarer Erlass einheitlich hoher Umwelt-, Tierschutz- und Gesundheitsstandards erfolgen.

 

Frage: In Hannover gab es die vergangenen Jahre das Projekt „Hannover GEN“, welches nun auf das ganze Bundesland ausgebreitet werden soll. Viele Gentechnikkritiker_innen sehen darin reine Propaganda für die Agro-Gentechnik, welche nun den Schüler_innen schmackhaft gemacht werden soll. Wie steht DIE LINKE zur Agro-Gentechnik?

Antwort: DIE LINKE im Landtag fordert ein Ende des Schulprojekts „HannoverGEN“ und spricht sich gegen ein landesweites Projekt „NiedersachsenGEN“ an 50 Schulen in allen Landkreisen aus. Die Landesregierung betreibt mit ihrem Modellprojekt steuerfinanzierte Akzeptanzwerbung für Agro-Gentechnik. „HannoverGEN“ ist weder sachlich noch ausgewogen und hat deshalb an Schulen nichts zu suchen. Das verwendete Lehrmaterial konfrontiert die Schüler einseitig mit den vermeintlichen Segnungen der „Grünen Gentechnik“. „HannoverGEN“ darf daher auf gar keinen Fall zu einem landesweiten Projekt ausgeweitet werden. Allein die Kosten würden sich auf circa 13 Millionen Euro belaufen. Dieses Geld wäre an anderer Stelle besser eingesetzt. Es könnte zum Beispiel für eine bessere Ausstattung niedersächsischer Schulen ausgegeben werden, um eine umfassende naturwissenschaftliche Bildung und eine ausgewogene Auseinandersetzung mit modernen Technologien zu befördern. Darüber hinaus muss Niedersachsen den Anbau und die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen verbieten und sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass keine neuen GV-Pflanzen zum Anbau zugelassen werden.


Frage: Noch ein Tipp. Wie viel Prozent erreicht DIE LINKE bei der Landtagswahl und welche agrarpolitische Initiative werdet Ihr als erste angehen?

Antwort: DIE LINKE wird bei der Landtagswahl 6 + X Prozent erreichen. Im Frühjahr werden wir dann erneut die Agro-Gentechnik-Debatte aufgreifen, uns für mehr Marktmacht der ErzeugerInnen vor Ort und Ernährungssouveränität weltweit einsetzen und außerdem zusehen, dass das Problem der „Vermaisung“ Niedersachsens nicht in Vergessenheit gerät.

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