Finanzierung von REDDplus – Warum ein Zertifikathandel katastrophal wäre

Noch wurde bei den UN-Klimaverhandlungen keine Einigung zur Finanzierung des Waldschutzinstrumentes REDDplus erzielt. Zu weit liegen die Vorstellungen der Länder auseinander: sollen die Gelder durch einen Marktmechanismus, durch einen Fonds der Industrieländer oder aus alternativen Quellen wie der Besteuerung von Flug- und Schiffsverkehr bereitgestellt werden?

Während einige der potentiellen Empfängerländer des Südens Marktmodelle vehement ablehnen, wird gerade dieses Modell seit den Verhandlungen in Durban am stärksten vorangetrieben (unter dem Titel Neuer Marktmechanismus, New Market Mechanism oder NMM)[1]. Die Risiken für bedrohte Waldgebiete und lokale Gemeinschaften sind bei diesem Modell besonders hoch. Ein generelles Risiko der Marktlösung besteht darin, dass die erwarteten Gelder nicht vor Ort ankommen werden, wo sie wirklich zum Schutz der Wälder benötigt werden.

Die bestehenden Entwürfe für einen REDDplus Marktmechanismus müssten grundlegend überarbeitet werden, da sonst ein sehr risikoreicher und zerstörerischer Markt geschaffen würde.[2]

3 Hauptfinanzierungsmodelle – Markt, Fond, oder alternative Quellen:

Marktmodell
: Die USA, Australien, Neuseeland und Japan unterstützen vehement das Modell des Neuen Marktmechanismus als Finanzierung für REDDplus, bei dem die Industrieländer ihre eigenen Emissionsverpflichtungen durch Offsetting mit unter anderem REDDplus-Zertifikaten verringern können. Dass dabei die Zusätzlichkeit der Reduktionen in den Schwellen- und Entwicklungsländern garantiert sein müsste um einen tatsächlichen Klimaeffekt zu erreichen, kann gerade bei REDDplus nicht erfüllt werden. Schließlich werden hier angenommene Entwaldungsraten für die Zukunft herangezogen, gegen die Reduktionen gemessen werden. Allein die Datenerhebung in waldreichen REDDplus Empfängerländern wird sich schwierig gestalten.

Das zentrale Problem des Marktmechanismus besteht darin, dass es hier hauptsächlich um die Quantifizierung der vermiedenen Emissionen geht. Die tatsächlichen Ursachen und Triebkräfte hinter der Waldzerstörung werden nicht angegangen. Lokale Behörden sind nicht ausreichend ausgebildet oder ausreichend besetzt für die notwendige Kohlenstoffbilanzierung, die in vielen Fällen dann von ausländischen Consultants vorgenommen würde. Besser aufgestellte REDDplus Empfängerländer könnten stattdessen viel in den Aufbau eines solchen MRV-Apparates (=Measuring, Reporting, Verification) investieren, oder tun dies bereits, obwohl die Gelder viel dringender für eine Reform ihrer Forstverwaltung oder die Durchsetzung einer Landreform benötigt würden.

Dies erzeugt das schwerwiegende Problem, dass ein großer Teil der REDDplus Gelder bereits durch den Anrechnungsprozess verbraucht und in die Industrieländer zurückfließen würde. Bei der lokalen Bevölkerung käme kaum noch etwas an. Dabei können gerade die lokalen Gemeinschaften wesentlich zum Walderhalt beitragen, sofern sie über die Rechte verfügen, die Waldgebiete für ihre Subsistenz zu nutzen.

Weitere wahrscheinliche Probleme mit einem globalen Marktmechanismus für REDDplus lassen sich aus den Erfahrungen mit dem CDM bzw. dem Handel mit Derivaten ableiten. Sobald die Zertifikate für Wälder an einen größeren Markt gekoppelt sind, setzt man sie dem Risiko von Preisschwankungen und Preiseinbrüchen aus. Der Schutz der Wälder verlangt langfristig besonders stabile Zahlungsströme, da REDDplus ja mit anderen Nutzungen konkurriert. Sobald die Gelder ein bestimmtes Niveau unterschreiten wird die Waldzerstörung wieder einsetzen. Andererseits werden die Märkte massiv gestört, wenn große Mengen von REDDplus Zertifikaten ausgegeben werden, wiederum wäre ein Preiseinbruch die Folge und Reduktionsverpflichtungen anderer Sektoren würden unterwandert.

Fondsmodell: Das klassische Fondsmodell sieht die Bereitstellung öffentlicher Gelder für REDDplus Maßnahmen bzw. die Empfängerländer vor. Die jüngste Vergangenheit zeigt, dass die Zusage solch öffentlicher Gelder nur für sehr kurze Zeiträume gegeben wird, die nicht die Anforderungen von REDDplus Projekten (Laufzeit > 5-10 Jahre) erfüllen. Überhaupt ausreichende Beträge aus den Industrieländern zu mobilisieren scheint nicht sehr wahrscheinlich, für einen weltweiten REDDplus rechnet man mit etwa 20 Milliarden USD pro Jahr. Desweiteren wären die Mittel meist nicht zusätzlich sondern werden von bestehenden Klimaschutz- oder Entwicklungshilfegeldern abgezogen.

Einige Länder streben daher ein Mischmodell aus Fonds und Zertifikathandel an, bei dem REDDplus Zertifikate nicht direkt als Emissionsreduktionen gehandelt werden können.

Alternative Finanzierungsquellen: In den letzten Jahren setzten sich offizielle wie inoffizielle Vorschläge zu alternativer Finanzierung vor allem mit Geldern aus der Versteigerung von Emissionshandelszertifikaten, einer Finanztransaktionssteuer oder von der Besteuerung des Flug- und Schiffsverkehrs auseinander. Für jede dieser Quellen sind jedoch bereits Ansprüche für andere Mechanismen bzw. Finanztransfers von Industrie- an Entwicklungsländer erhoben worden. Eine Einigung der Industrieländer zu einer einheitlichen Besteuerung des Flug-und Schiffsverkehrs scheint in naher Zukunft nicht sehr wahrscheinlich, noch weniger die gemeinsame Verwendung der Gelder.

Bei den Verhandlungen in Bonn im Mai/Juni 2012 wurde ein Vorschlag zu sogenannten Green Bonds eingeführt, die statt eines wenig aussichtsreichen Fonds aus öffentlichen Geldern (bedingt durch die hohe Verschuldung der Industrieländer) die Ausschüttung von zinspflichtigen Bonds für die Emissionsreduktionen der Schwellen- und Entwicklungsländer vorsehen. [3] Mit den Krediten der Bonds sollen Reduktionsmaßnahmen wie beispielsweise REDDplus finanziert werden, die Bonds würden frei auf einem Weltmarkt gehandelt. Mit diesem Modell ergäben sich ähnliche Probleme wie beim Marktmodell, dass nämlich die Emissionsreduktionen durch aufwändige Bilanzierung nachgewiesen werden müssen, was den Empfängerländern schaden wird. Die Risiken die mit der Rückzahlungspflicht der Zinsen verbunden sind könnten bei einem Misserfolg von REDDplus oder bei unvorhergesehenen Ereignissen wie einem Waldbrand das jeweilige Land in eine Schuldenfalle reißen. Der Handel mit den Derivaten trägt zudem die gewaltigen Risiken von Spekulationsblasen, Betrug und Preiseinbrüchen in sich.

Fazit:
Die Langfristigkeit der Emissionsreduktionen von REDDplus hängt vor allem davon ab dass die lokale Bevölkerung weiterhin von stehenden Wäldern als intakten Ökosystem profitiert, dadurch dass REDDplus und kleinflächige Waldnutzung nebeneinander einhergehen können und zur Armutsminderung beitragen. Deshalb müssen die bestehenden Landnutzungsrechte an Wäldern bei den lokalen Gemeinschaften verbleiben und geschützt werden (die meisten verbliebenen Waldflächen werden von lokalen Gemeinschaften genutzt). Die Ziele von REDDplus wie auch die zu erhebenden Daten, die Emissionsreduktionen nachweisen sollen, müssen dringend um diese Aspekte erweitert werden. [4] REDDplus darf in Zukunft nicht nur als bloße Emissionsminderungsmaschinerie behandelt werden. Ein Marktmechanismus bräuchte ein vollkommen anderes Design.

Für die LINKE Abgeordnete des Europaparlaments Sabine Wils, (GUE/NGL) hat  Julia Huscher anlässlich des UN-Klimagipfels in Durban ein Hintergrund- und Positionspapier zu REDDplus geschrieben. Sie finden es hier.

Ein älteres, aber umfangreicheres Papier zum Thema, insbesondere zu den methodischen Problemen und Risiken von REDD, geschrieben von Steph Grella und Uwe Wit, finden Sie hier.

Quellen:

[1][FERN, Institute for Agriculture and Trade Policy, Institute for Policy Studies, Third World Network (2012): New Market Mechanisms – Risk and Reality.http://climate-justice.info/wp-content/uploads/2012/05/NMM-Assessment_Bonn-12-Version_SignOn1.pdf]
[2][The Munden Project (2011): REDD and Forest Carbon: Market-based Critique And Recommendations. http://www.mundenproject.com/forestcarbonreport2.pdf]
[3][Institute for Agriculture and Trade Policy (2012): The New Climate Debt: Carbon Trading Wrapped in a Green Bond Proposal. http://www.iatp.org/files/451_2_107549.pdf]
[4][FERN (2012): EU Forest Watch Bonn Special Issue June 2012. http://www.fern.org/sites/fern.org/files/FW%20special%20bonn%20_1.pdf]