Welche Bedeutung haben die ländlichen Räume und der darin agierende agrarische Mittelstand für die Linke – besonders in Bezug auf das nächste Jahrzehnt?
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- 15 Januar 2011
Für die Fachzeitung "Vieh und Fleisch" nahm Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Stellung zur oben genannten Frage zum agrarischen Mittelstand in den ländlichen Räumen.
Manche sehen ländliche Räume nur als Nahrungs- und Rohstofflieferanten für Städterinnen und Städter. Anderen ist sogar egal, woher die Lebensmittel kommen. Damit werden Bauernhöfe, Forstbetriebe, Gärtnereien, Teichwirtschaften oder Imkereien zu Anhängseln einer urbanen Politik degradiert. Die Kulturlandschaft soll gepflegt werden, ein bisschen Nostalgie-Landwirtschaft für ein aufregendes Wochenende und den Urlaub - mehr wird nicht erwartet. Selbst die Bundesregierung sieht in der „Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ den ländlichen Raum als Rohstofflager.
DIE LINKE dagegen will lebendige Dörfer und vielfältige ländliche Räume. Ein ganz wichtiger Schlüssel dafür ist die Sicherung und der Ausbau von existenzsichernd bezahlten Arbeitsplätzen. DIE LINKE fordert einen gesetzlichen Mindestlohn – auch in der Agrarwirtschaft muss man von der Arbeit leben können.
Verwurzelt in der Region
Natürlich fallen Arbeitsplätze nicht vom Himmel. Viele Dörfer haben mit Abwanderung und schwieriger werdenden Lebensbedingungen zu kämpfen. Das verschärft die Probleme – auch am Ort der Zuwanderung. Es gibt also gar keine Alternative als die Akteurinnen und Akteure in den ländlichen Räumen gezielt zu stärken. Dazu gehören mittelständische Betriebe der Agrarwirtschaft, kleine Dienstleistungsbetriebe für Landurlaub, Nahversorgung, Gastronomie, etc. Um solche wichtigen Partner einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung zu stärken hat die rot-rote Landesregierung Brandenburgs eine Agrarwirtschaftsinitiative im Koaltionsvertrag verabredet. Ziel ist die Stärkung landwirtschaftlicher Erzeuger durch den Aufbau und die Verbesserung regionaler Handels-, Vermarktungs- und Verarbeitungsstrukturen. Brandenburgs Primärerzeugung muss stärker mit der Metropole Berlin verknüpft werden – aber nicht nur als reiner Rohstoffliefer-Hinterhof. Mit mehr Weiterverarbeitung muss mehr regionale Wertschöpfung wieder nach Brandenburg geholt und mit regionalen Absatzmärkten verbunden werden. Regional verwurzelte Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe und regionstypische Angebote in der lokalen Gastronomie müssen gestärkt werden. Gläserne Molkereien z. B. können eine völlig neue Rolle spielen. Der boomende Bereich der ökologischen Landwirtschaft wird in Brandenburg zum Markenzeichen.
Falsche Einnahme- und Ausgabepolitik auf Bundesebene führt allerdings in den kommenden Jahren zu klammen öffentliche Kassen, die in den ländlichen Räumen noch mehr zu spüren sein wird. Für Ostdeutschland wird das weiter zugespitzt durch den auslaufenden Solidarpakt II im Jahr 2019 und der Wegfall des Ziel I-Gebietes. Wenn ab dem Jahr 2014 auch noch weniger Agrar-Gelder aus Brüssel kommen, wird es noch schwerer. Deshalb will DIE LINKE mehr Zielgenauigkeit in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013. Agrarbetriebe, die mit sozialer und ökologischer Verantwortung Lebensmittel und Biomasse produzieren, sollen gegen nicht-landwirtschaftliches Kapital bestehen können. Die Gemeinwohlleistungen der Landwirtinnen und Landwirte, die nicht über den Markt ausgeglichen werden, sollen entgolten werden. Da die konkreten Anforderungen in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich sind, müssen die Maßnahmen flexibel sein.
Boden in der Hand der Bauern
Landwirtschaftsbetriebe sind zu stärken und dürfen nicht gegen die ländlichen Räume ausgespielt werden. Dafür müssen sie ihre Böden bewirtschaften können. Aktuell findet ein wahrer Goldrausch statt und nicht-landwirtschaftliches Kapital greift nach Äckern und Weiden. Aber Boden gehört nicht in Spekulantenhand.
Der Ausbau des schnellen Internets auf den Dörfern ist eine weitere wichtige Grundlage für nicht-landwirtschaftliches Gewerbe. Gerade für Frauen bieten sich so dringend benötigte neue Erwerbsmöglichkeiten.
Wo Dorfladen und -kneipe dicht gemacht haben, sind neue Lösungen gefragt. Es gibt spannende Beispiele der dörflichen Neuorganisation. In Gelting bei München wurde der Dorfladen neu eröffnet – als Genossenschaft der Dorfbewohnerinnen und -bewohner. So eine „Tante Emma 2.0“ zeigt, dass trotz marktwirtschaftlicher Bedingungen mit dem Genossenschaftsgedanken Solidarität und Gemeinsinn im Dorf gelebt wird.