Kein pubertäres Rumdoktern an Atmosphäre und Meer!
- Details
- 6 Oktober 2011
- von Uwe Witt
Für die Bundesregierung ist es offenbar eine Option, am Erdklima herum zu klempnern. Das lassen jedenfalls Äußerungen des Forschungsstaatssekretärs Georg Schütte vermuten. "Erreichen die internationalen Verhandlungen nicht die erforderlichen Klimaschutzziele, stellt sich zunehmend die Frage einer Reparatur durch Climate Engineering", sagte er gestern bei der Vorstellung eines im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstellten Gutachtens zum Thema. Spiegel Online mutmaßt deshalb im Bundesforschungsministerium heimliche Sympathien für das Herumwerkeln an der Atmosphäre und den Weltmeeren, welches zum Ziel haben soll, die menschengemachte Temperaturerhöhung zu begrenzen. Schließlich sei es laut Schütte "nicht verantwortbar, einzelne Optionen gegen möglicherweise dramatische Folgen des Klimawandels vorab auszuschließen".
Nach den abenteuerlichen Ideen einiger Forscher wäre etwa das Einbringen von Schwefelpartikeln in die Atmosphäre mittels Flugzeugen eine Option. Die aerosolähnlichen Schwebeteilchen sollten dann – adäquat der Wirkung von großen Vulkanausbrüchen – durch Reflexion von Sonnenstrahlen abkühlende Wirkungen entfalten. Andere wollen mittels hunderte Millionen von Pumpen in den Weltmeeren CO2-armes Tiefenwasser nach oben fördern, welches dann Treibhausgase binden könnte. Ein weiteres Projekt träumt von künstlichen Wolken über dem Meer. Erzeugen soll sie eine Armada von ferngesteuerten Schiffen, die Sprühnebel produzieren. Im Angebot sind auch Spiegel im All, die die einfallende Sonne reflektieren.
Allen Projekten ist eines gemein: Die ökologischen Risiken solcher bizarren Großexperimente sind unüberschaubar. Das belegt sowohl die oben genannte Studie als auch ein entsprechender Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) vom Frühjahr. Ganze Klima- und Nahrungsketten könnten sich verändern, ohne dass dies sicher vorherseh- oder rückholbar wäre. Gemeinsam sind den vorgeschlagenen Projekten auch die astronomischen Kosten. Eine Tonne CO2 einzusparen – falls das überhaupt gelänge – wäre deutlich teurer, als mittels dem Ausbau erneuerbarer Energien zügig die Verbrennung von Kohle und Öl, und später auch von Gas zu stoppen. „Wenn das Ganze aber wirtschaftlich Unfug ist, und darüber hinaus noch hochriskant – warum ist es in den Augen des BMBF dann eine mögliche Option?“, fragt die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter. Die Forschungsgelder sollten vielmehr in die Systeme der Erneuerbaren (preiswertere Erzeugung, Speicher, intelligente Netze) sowie in Energieeinspartechnologien fließen, meint die Vorsitzende des Umweltausschusses des Parlaments.
So spinnernd bzw. gefährlich die angedachten Projekte des Geo Engineering klingen: Im Jahr 2009 hat das BMBF bereits eine umstrittene Forschungsreise der „Polarstern“ des Alfred Wegener Instituts unterstützt, welche überprüfen sollte, ob das Düngen der Weltmeere vielleicht eine Möglichkeit wäre, CO2 aus der Atmosphäre zu melken. Konkret wurde die Wirkung des Ausbreitens von Eisensulfat ins Südpolare Meer untersucht. Die Ausgangsthese: Mit der Eisendüngung vermehrten sich Algen, welche beim Wachsen CO2 binden und nach dem Absterben den Kohlenstoff in die dunklen Tiefen des kalten Ozeans ziehen könnten. Dort wäre er langfristig festlegt und zumindest für die Atmosphäre unschädlich. Das infolge des Prozesses weniger CO2-gesätigte Meeresoberflächenwasser könnte so mehr Kohledioxid aus der Luft aufnehmen.
Das Experiment zeigte jedoch, wie schwer voraussehbar die Wirkungen solcher groben Eingriffe sind. Nach der Düngung stieg zwar zunächst tatsächlich die Algenmasse an. Doch genauso schnell wurde das Phytoplankton wieder gefressen, anstatt später zum Meeresgrund zu sinken. Und zwar von hungrigen Ruderfußkrebsen, die dadurch Unmengen Baby-Krebse erzeugten. Diese wiederum wurden von Flohkrebsen vernascht, welche sich rasend vermehrten. Das Dumme dabei: Als quasi räuberische Fleischfresser setzen Flohkrebse nur 10 Prozent des Kohlenstoffs der Nahrung in Muskeln und Energie um. 90 Prozent werden schlicht veratmet – und gelangen so wieder in Form des ungeliebten CO2 ins Meer.
Unter dem Strich erhöhte die Düngung die Kohlenstoffabsorption in Richtung Meeresgrund nicht, das bestätigten Sinkfallen. Die Katze beißt sich hier also, was den Klimaschutz angeht, in den Schwanz. Geo- oder Climate-Engineering, wie es neuerdings heißt, wäre im Falle Meeresdüngung nur teurer Unsinn. Nichts anderes ist von den anderen „Optionen“ zu erwarten (was Wirtschaftlichkeit und Risiken betrifft übrigens auch nicht von CCS, der unterirdischen Verpressung von CO2 aus Kraftwerken und Industriebetrieben). Darum muss an der Ursache des Klimawandels angesetzt werden, statt an ihm pubertär herumzudoktern. Das heißt nichts anderes, als Raus aus den fossilen Energien und rein in die solare Energiewende! Die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sind im Übrigen das größte Climate-Engineering-Projekt der Welt.
Die Fraktion DIE LINKE spricht sich gegen alle Formen des Geo-Engineerings als Maßnahmen zur „Klimagestaltung“ aus. Lesen Sie dazu die Position der Bundestagsfraktion sowie die Rede zur Lohafex-Debatte von Petra Sitte, der Obfrau der LINKEN im Forschungsausschuss, vom 29. Januar 2009 im Bundestag.