Scheitern im Anmarsch?

Durban-Tagebuch Eva Bulling-Schröter
Freitag, den 9. Dezember 2011

So, heute ist der letzte Tag der Klimakonferenz und ich stehe mit gemischten Gefühlen auf. Es geht im Grunde darum, wie sich die Weltgemeinschaft für die Zukunft positioniert. Ob sie es schafft, zumindest verbindliche Schritte zu einem umfassenden Abkommen bis spätestens 2015 zu setzen,und damit ein ernsthaftes Zeichen für ein Umsteuern, oder ob die Kapitalinteressen beim Schachern um das Klima wieder einmal siegen werden.

Die Zeit wird immer knapper für Entscheidungen. Wenn es nicht gelingt bald ein umfassendes Abkommen zu verabschieden und vor allem auch umzusetzen, dann werden eben einige Inseln absaufen, dann werden große Landstriche unbewohnbar, in einigen Regionen gar Menschen, Tiere und Pflanzen sterben.

 

Es wird auch neue klimabedingte Flüchtlingsströme geben, Grund für bestimmte Länder ihre Grenzen noch dichter zu machen oder in Konfliktregionen Armeen zu stationieren. Wenige machen Gewinne, die breite Masse in den meisten Staaten hat nichts von diesen kurzfristigen Profitinteressen. Die Schere zwischen arm und reich, auch in den Industrieländern, geht immer weiter auseinander.

7:45 Uhr wieder Delegationsbesprechung. Gestern ist der Indaba-Prozess (siehe Berichte gestern und vorgestern) im Chaos geendet, hören wir. Es gibt weiterhin viele Klammern in den Texten, das heißt, dass noch keine Einigung über die Punkte erfolgte. Die Entwicklungsländer fordern 40 Mrd. Dollar bis 2012 an Mitteln für Klimaschutz und Anpassung, die in den Green Climate Fonds fließen sollen. Die VerhandlerInnen sprechen in für mich teilweise unverständlichen Kürzeln und es gibt noch keinerlei Aussage darüber, was bis heute Abend passieren wird. Sie wissen es wohl selbst nicht.

Danach ein Treffen mit der Delegation aus Uruguay: Wir sprechen über die Unterstützung in technischen Fragen und Beratung. Uruguay will bis 2015 50 Prozent regenerative Energien etablieren. Sie sind dabei eine Müllentsorgung aufzubauen. Wir vereinbaren eine Zusammenarbeit und Kontakte

Anschließend treffen wir uns mit den südafrikanischen Parlamentariern. Wir diskutieren die Verantwortung der nationalen Parlamente bei internationalen Klimaverhandlungen und wollen uns dafür einzusetzen, dass sich mehr Abgeordnete weltweit in den Prozess einschalten.

Sisa Njikelana, ein Urgestein des ANC, Vorsitzender des Energieausschusses des südafrikanischen Parlaments, berichtet aus seiner Sicht von den Konsultationen und freut sich, dass ich die gute Organisation der Konferenz durch Südafrika lobe. Er mahnt an, dass Parlamentarier nicht reaktiv reagieren, sondern sich endlich über alle Parteigrenzen hinweg in den Klimaprozess einbringen sollten. Dabei müssten sie die Basis mitnehmen. Natürlich hat er im Grundsatz recht. Allerdings ist es eine Illusion, als Parlamentarier hier direkt auf den Klimakonferenzen in die hochspezialisierten Verhandlungen eingreifen zu wollen. Dafür gibt es ja beispielsweise im Falle Deutschlands die Führung und die Experten des Bundesumweltministeriums. Die setzen letztendlich den Willen der Mehrheit im Parlament um. Was wir zu Hause in der politischen Willensbildung nicht schaffen, können wir hier, außer sehr partieller Einflussnahme, nicht mehr hinbiegen. Unsere Aufgabe besteht hier eher in parlamentarischer Kontrolle, Information, und darin, uns am Rande der Verhandlungen konzentriert mit im Klimabereich tätigen Parlaments-KollegInnen aus aller Welt, NGOs und Bewegungen auszutauschen.

Beispielsweise mit Victoria Tauli-Corpuz. Sie ist Vertreterin indigener Völker und gehört der philippinischen Delegation an. Sie berichtet uns über REDDplus, also über den Mechanismus zum internationalen Waldschutz. Victoria ist der Konferenz die stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft zum Thema, und vertritt ganz massiv, dass gerade im REDD-Prozess die Rechte indigener Völker explizit geschützt werden müssen. Denn diese drohten unter die Räder zu geraten, wenn mit Waldschutz Geld verdient werde könne.

In der AG gebe es heftige Diskussionen darüber, wie die Gelder für REDDplus aufgebracht werden könnten. Brasilien und Ecuador etwa sprechen sich für staatliche Mittel aus dem Norden aus, Australien und Japan für eine marktwirtschaftliche Lösung, dass heißt, die Einbindung von REDDplus in den CO2-Zertifikate-Handel. Die LINKE hat die zweite Lösung immer abgelehnt, da dadurch der CO2-Markt mit Emissionsrechten überschwemmt werden würde. Diese Rechte könnten dann Firmen oder Industrieländer nutzen, um ihre Minderungsverpflichtungen abzurechnen, ohne selbst Treibhausgase einsparen zu müssen. Geschütze Bäume im Süden würden dann zusätzliche Emissionen im Norden bedeuten. Wir brauchen aber beides: Emissionsminderungen der Industriestatten und Tropenwaldschutz. Das sagt jeder IPCC-Bericht. Sonst ist das Klima nicht zu retten!

Ich frage Victoria Tauli-Corpuz, ob REDD nicht auch in dem Sinne kontraproduktiv wirken kann, dass zuerst irgendwo illegal abgeholzt wird und dann offiziell anderswo oder gar an selber Stelle wieder aufgeforstet, um an die Zertifikate oder REDD-Fonds heranzukommen. Sie meint, hier müssten intelligente Kontroll-Mechanismen eingesetzt werden. Zudem könne REDD nur ein Instrument sein im Klima- und Waldschutz, neben anderen.

Über REDDplus wird sicher heute Abend abgestimmt und wir können jetzt schon wetten, wie die Entscheidung ausgeht ...

Dann endet unser mehrtägiger Gesprächsmarathon mit einem interessanten Gespräch mit der Delegation aus Lesotho. Wir treffen hier den Botschafter aus Berlin und die Vorsitzende der Nationalversammlung. Im nächsten Jahr läuft die deutsche Entwicklungshilfe für das arme Land aus und wir überlegen, welche Möglichkeiten der Förderung es künftig geben könnte, unter anderem im Bereich regenerative Energien. In Lesotho hat sich in den letzten Jahren das Wetter komplett verändert, wie wir von einem Vertreter einer NGo erfahren haben. Das Land hat auch die höchste Degradation der Erde. Wir verabreden uns in Berlin.
Kaffee 

Nun ist es später Nachmittag. Endlich Zeit, einen Kaffee zu trinken und etwas zu essen. Danach geht es weiter im Plenum, wo die Verhandlungen kurz vor Toresschluss immer hektischer werden. Ich habe ein ungutes Gefühl …