Nicht Dürre, sondern Spekulanten sind die Preistreiber
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- 17 August 2012
Sommerzeit ist Erntezeit. Aber nicht überall. So besucht US-Präsident Obama Farmer in Iowa, die vor vertrockneten Mais- und Getreidefeldern stehen, und verspricht ihnen - sehr wahlkampftauglich – schnelle finanzielle Hilfe.
Selbst der deutsche FDP-Entwicklungshilfeminister meldet sich besorgt zu Wort und fordert den sofortigen Verkaufsstopp für E10 an deutschen Tankstellen. Als indirekte deutsche Dürrehilfe und zur Vermeidung eines weiteren Anstiegs der Getreidepreise in der Welt.
Aber wie sind die wirklichen Zusammenhänge zwischen der Dürre in den USA und steigenden Getreidepreisen? Was hat die Dürre in den USA mit der Lebensmittelversorgung in der Welt und dem Brotpreis in Deutschland zu tun? Gefährdet die Dürre dort die Ernährungssicherheit in anderen Regionen der Welt? Und wenn ja, warum? Was ist dagegen zu tun?
Fakt ist, dass der globale Handel mit Getreide, Mais und anderen Agrarrohstoffen in den letzten Jahren enorm zugenommen hat. Das ist die Folge des Freihandels. Neoliberale Wirtschaftsprofessoren und Politiker behaupten, es ginge dabei um einen Ausgleich zwischen Überschuss- und Mangelregionen. Die Wahrheit ist, dass dieser deregulierte Weltagrarmarkt vor allem im Interesse der Handelskonzerne und der am Handel beteiligten Finanzmärkte ist. Es gibt weltweit nicht zu wenig Nahrungsmittel, sondern sie sind ungerecht verteilt.
Aber je mehr Agrargüter international gehandelt werden, desto höher wird der notwendige Kapitaleinsatz. Das ruft Spekulanten auf den Plan, die auf steigende oder auch fallende Preise wetten. So entkoppelt sich die Preisbildung bei Nahrungsmitteln immer stärker von den realen Wirtschaftsbedingungen wie Erzeugungskosten, dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage oder der Kaufkraft. Deshalb führt allein die Meldung über Ernteeinbußen bei Mais und Weizen in den USA zum Anstieg der internationalen Getreidepreise, auch wenn die weltweite Versorgungslage gar nicht angespannt ist.
Auch Minister Niebel spekuliert mit einem E10-Verkaufsstopp vor allem auf Stimmungsmache in Deutschland. DIE LINKE hat die Beimischung von Agrotreibstoffen immer abgelehnt, aber ein solches Verbot hätte keinerlei Wirkung auf Spekulationen auf dem Weltagrarmarkt. Aber genau diese müssen unterbunden werden. Dazu hat DIE LINKE im Bundestag konkrete Vorschläge gemacht.
Aber das allein reicht nicht. Die strategische Orientierung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf den Weltmarkt ist das politische Grundproblem. Denn die sozial und ökologisch blinden WTO-Regeln des Weltmarkts sind nicht auf die Sicherung der Welternährung gerichtet, sondern auf die Versorgung zahlungskräftiger Konsumenten-Kreise.
Der Hunger nimmt zu, weil Menschen arm sind. Weil sie keinen Zugang zu Boden, Saatgut und Wasser haben oder Produkte für die Industriestaaten anbauen, die aber nicht fair bezahlt werden. Diese klassischen Verteilungs- und Zugangsbarrieren überwindet der Weltagrarmarkt nicht, sondern er verschärft sie. Auch die europäische Agrarpolitik trägt durch Agrarexporte zur Zerstörung regionaler Erzeugung und Märkte in den armen Ländern bei.
Auch für unsere einheimischen Landwirtschaftsbetriebe sind die Preisschwankungen zu einem Risikofaktor geworden. Niedrige Erzeugerpreise können selbst bei guten Ernten zu wirtschaftlicher Notlage führen. Hohe Erzeugerpreise werden aufgefressen durch steigende Preise für Saatgut, Dünger oder Pachten. Frühere Schutzmechanismen für Preisschwankungen wie Garantiepreise, Zölle, staatliche Lagerhaltung wurden längst auf dem Altar der Liberalisierung der Weltwirtschaft geopfert.
DIE LINKE will die Landwirtschaft wieder auf die regionale Versorgungssicherung und Ernährungssouveränität orientieren. In der europäischen Agrarpolitik heißt das beispielsweise Verzicht auf die Exportorientierung, Verbot der Rohstoffimporte für Agrarsprit und schrittweise Ablösung der Futtermittelimporte, insbesondere durch einheimischen Eiweißpflanzenanbau. Diese Forderungen bringt DIE LINKE auf europäischer Ebene in die laufende Diskussion zur zukünftigen europäischen Agrarpolitik ein.
Auf der Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) und der UNO muss das Recht auf Ernährungssouveränität gestärkt und eine sozial-ökologische Agrarentwicklung ermöglicht werden. Die Entwicklungspolitik muss gerade in den Ländern Asiens und Afrikas auf eine eigenständige und nachhaltige Agrarentwicklung ausgerichtet werden. Und auch Äcker und Wiesen müssen vor Spekulanten geschützt werden.