Klimazeuginnen im Umweltausschuss

Klimazeugen__EvaDer Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit traf sich am 9. November mit vom Klimawandel Betroffenen aus Afrika und Asien zu einem öffentlichen Fachgespräch. Mit den „Klimazeuginnen“ besprachen die Abgeordneten, wie sich die Erderwärmung konkret auf die Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort auswirkt. Zudem ging es um Strategien zur Emissionsvermeidung und zur Anpassung an den Klimawandel.

Eva Bullings-Schröter mit den drei Klima-Aktivistinnen Hauwa Uma-Mustaphar, Serafhina Gigira Aupong und Zukiswa Millicent Nomwa, Foto: Uwe Witt

Die drei Klimazeuginnen aus Nigeria, Südafrika und Papua Neuguinea (Vorstellung siehe unten) besuchten den Ausschuss im Vorfeld der Weltklimakonferenz Ende November in Durban. Sie berichteten eindrucksvoll über die Folgen des Klimawandels insbesondere auf die ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit. Besonders wichtig waren ihnen die Betroffenheit von Frauen sowie Anpassungsstrategien der lokalen Gemeinschaften gegenüber Klimawandel. Verbunden war die Debatte mit Appellen an die deutschen Abgeordneten, ernsthafte Schritte zur Emissionsvermeidung und zur Finanzierung von Klimaschutz, Anpassung und Waldschutz im Süden zu unternehmen.

Hauwa Uma-Mustaphar aus Nigeria wies darauf hin, dass mit dem Klimawandel die Hauptquellen des Einkommens von etwa 80 Prozent der Bevölkerung in Afrika bedroht sind: die Landwirtschaft und die Fischerei. So sei der Lake Tschad – einer der vormals größten Seen Afrikas – in den letzten 30 Jahren um 60 Prozent geschrumpft. An der Grenze von Nigeria, Kamerun und dem Tschad hätten so durch die Folgen des Klimawandels viele Fischer ihre Existenz verloren, auch der Viehzucht um den See fehlt Wasser.

Durch Bodenerosion infolge von Sturzfluten würden zudem Straßen unterspült. Das Foto eines metertiefen Kraters machte die anschaulich. Die weggerissene Straße etwa führte zu Ackerland. Dieses sei lange nicht zugänglich gewesen, Einkommensverluste seien die Folge gewesen.

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Keine Baustelle, sondern unterspülte Straße, Foto: Tubali Development Initiative, Nigeria 

Durch die häufigeren Überschwemmungen und Trockenperioden würde auch mehr Vieh verenden. Damit stiegen die Preise für Fleisch, was diese Proteinquelle für viele Familien unbezahlbar mache. Zudem verbreiteten sich in den letzten zwei / drei Jahren wieder zunehmend Typhus, Meningitis und die heimtückische Flusskrankheit. Auch weil Kinder, Frauen und das Vieh immer öfter gezwungen seien, aus dem selben Wasser zu trinken. Durch die vermehrten Krankheiten hätten Kinder auch mehr Fehlzeiten in der Schule.

Hauwa Uma-Mustaphar machte deutlich, dass Frauen von diesem Wandel am stärksten betroffen seien. Sie holten traditionell das Wasser. Dafür brauchten sie nun längere Wege und folglich mehr Zeit, denn viele ehemals saubere Brunnen seien nun verdreckt.

Frauen sind auch fürs Holz holen verantwortlich. Aber auch diese oft einzige Brennstoffquelle werde durch Trockenperioden knapp – eine weiter Empfindlichkeit gegen den Klimawandel. Auch deshalb, weil Holz nicht selten in die Städte verkauft wird. Gehe das Holzangebot zurück, werde schneller Holz eingeschlagen, was die Bodenerosion befördere. So beschleunigten sich die durch den Klimawandel angestoßenen negative Prozesse von selbst.

Auch in Papua Neuguinea leben 80 Prozent der Bevölkerung von Subsistenzwirtschaft im Landbau oder der Fischerei. Serafhina Gigira Aupong machte deutlich, dass das veränderte Klima daher ein hohes Risiko für die Nahrungsmittelsicherheit darstellt. „Wir sind ein ländliches Volk. Wir sollten aus unsrem ländlichen Leben Stärke schöpfen können“. Genau das werde aber bedroht.

Aupong berichtete vom Fischer Gokly Kaliam aus der Provinz Madang, der bereits zwei Mal sein kleines Haus an der Küste ins Land hinein versetzen musste, weil es sonst vom Meer durchspült worden wäre. Das nächste Foto zeigte sein Haus am jetzigen Ort: Es wird schon wieder vom Meer eingefangen.

Haus_im_MeerDas Meer holt sich erneut die Hütte, Foto: Bismarck Ramu Group, Papua Neuguinea

Sie wusste von einem anderen Dorf zu berichten, dass im letzte Jahr neun ungewöhnliche Überflutungen erleben musste.

Durch solche Ereignisse würden die Frauen auch deshalb am meisten leiden, weil sie in den Familien traditionell als erstes auf Nahrung verzichten, wenn diese knapp wird. Besonders für stillende Mütter erwüchsen daraus Probleme, da es auch keine ergänzenden Nährstoffe aus Tabletten etc. gebe.

Frau Aupong zeigte auch auf, welche Bemühungen lokale Gemeinschaften in Selbsthilfe unternehmen, um mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden. So erzählte sie von einem Gebiet, aus welchen Lehrer wegziehen wollten, weil die Versorgung mit Lebensmitteln aufgrund von Missernten nicht mehr gesichert gewesen sei. „Der Dorfälteste hat daraufhin organisiert, dass jedem Lehrer eine Familien zugeordnet wird, die diesen mit Essen versorgt.“ Die Lehrer bleiben, die Kinder werden unterrichtet.

Prov._Schutz_gege._berflutung Provisorien gegen Überflutung, Foto: Bismarck Ramu Group, Papua Neuguinea

Darüber, dass der Klimawandel die Jahrzehnte langen Bemühungen untergräbt, die Lage der Frauen in ländlichen Gebieten zu verbessern, berichtete auch Zukiswa Millicent Nomwa aus Südafrika. Frauen seien es, die die weiten Wege gehen, um Feuerholz zu sammeln, Frauen erarbeiteten auch 60 bis 80 Prozent der Nahrungsmittel für die Familie. Gleichzeitig seien die Frauen die schwächste soziale Gruppe und damit auch dem Klimawandel am stärksten ausgesetzt. Bei der Klimakonferenz im Dezember in Durban müssten Frauen darum prioritär behandelt werden.

Der Klimawandel beinträchtige nicht nur ländliche Gebiete, sondern auch Gartenanbauprojekte in der Nähe von Kapstadt. In den Gärten würden Nahrungsmittel für HIV-Infizierte angebaut. Doch die Feuchtgebiete, die die Gärten bislang bewässern, trockneten nun aus. Infolge sei die Ernährung der Patienten nicht mehr gewährleistet.

Demo_Grten_KapstadtKamp für bedrohte Gärten, Foto: Environmental Monitoring Group, Südafrika

Deutschland sei dagegen wenig vom Klimawandel betroffen, beeinträchtige durch seinen Treibhausgasausstoß aber sehr stark das Weltklima. Das schaffe eine besondere Verantwortung, sowohl für die Vermeidung von Treibhausgasen, als auch für ein progressives Auftreten bei den UN-Klimaverhandlungen. Diese Aussage wurde von den drei Frauen als Antwort auf eine entsprechend Frage von Abgeordneten geteilt. Deutschland habe eine starke politische Rolle, die stärker sei, als die Wirtschaftskraft etwa von Schwellenstaaten. Darum habe Deutschland auch ein hohes Gewicht bei den Klimaverhandlungen. Das sei der Grund für die Reise nach Deutschland statt nach China oder anderen großen Emittenten von Treibhausgasen gewesen.

Auf die Frage der umweltpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, wie am besten die Verteilung der von den Industriestaaten zugesagten bzw. in Aussicht gestellten Finanzmittel für Klimaschutztechnologien, Anpassung an den Klimawandel und Waldschutz im globalen Süden organisiert werden solle, um jenen Missbrauch zu verhindern, den die Gäste mehrfach zu bedenken gaben, antwortete Hauwa Uma-Mustaphar aus Nigeria sehr engagiert: „Das ist nicht schwierig, Die zivilgesellschaftlichen Organisationen kennen ja die Leute, sie kennen die Probleme!“ Diese Organisationen müssten unbedingt mit einbezogen werden. Auf keinen Fall dürften die Transferzahlungen allein an die Regierung gehen, dies öffne der Korruption und Bürokratie Tür und Tor. Die Organisationen und lokalen Gemeinschaften wüssten auch am besten, was vor Ort zur Bewältigung des Klimawandels gebraucht werde. „Die sind bislang aber nicht gefragt worden“, so Uma-Mustaphar.

Ohnehin gehe es nicht nur um Geld. Es fließe ja bereits Geld zur Armutsbekämpfung, gleichzeitig herrschten Weltwirtschaftsbeziehungen, die neue Armut schafften. Es gehe deshalb um eine faire Politik, die Armut verhindere. Das sei mehr als Wachstum und auch mehr als Klimapolitik. Die Afrikaner müssten die Chance erhalten, bereits bei der Verarbeitung ihrer Waren Mehrwert schöpfen zu können. So dürften nicht nur Kakaobohnen exportiert werden, sondern verarbeitete Produkte, wie Schokolade. Nur eine solche Politik, die die Situation in den Entwicklungsländern gerecht werde, könnte die Entwicklungskluft zwischen Nord und Süd vermindern.

Die Südafrikanerin Zukiswa Millicent Nomwa sprach zudem an, dass Afrika eigentlich die Afrikaner ernähren könne. Aber es würde biobasierte Produkte exportiert. „Ich verachte eine Politik, bei der Leute schuhe produzieren, aber barfuß laufen müssen“, übersetzte sie das Problem bildhaft. Die Weltwirtschaftsbeziehungen seien Teil des Gesamtproblems. Der dramatische Appell: „Man kann nicht auf Zehenspitzen nur um die Probleme herumgehen!“ Es gehe nicht um Hochglanzbroschüren, spielte sie auf die vielen, aber meist nutzlosen und bürokratischen Programme der Entwicklungshilfe an. „Wenn Sie (die Abgeordneten) wirklich bewegt sind, dann sollten sie jetzt Handeln!“, rief sie in den Anhörungssaal im Jacob-Kaiser-Haus.

Uwe Witt

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Informationen der Entwicklungsorganisation Oxfam zu den Klimazeuginnen:

Hauwa Uma-Mustaphar aus Nigeria ist Direktorin der Tubali Development Initiative. Sie befasst sich mit den armutsrelevanten Folgen des Klimawandels, insbesondere im Bereich der Ernährungssicherung, die sich in vielen Regionen in Nigeria wegen des Klimawandels zunehmend verschlechtert. Zukiswa Millicent Nomwa ist Field Worker bei der Environmental Monitoring Group in Kapstadt. Sie unterstützt Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. In Südafrika gehört dazu vielerorts insbesondere der Zugang zu Wasser, der durch den Klimawandel zunehmend beeinträchtigt wird. Serafhina Gigira Aupong aus Papua Neuguinea ist Campaignerin bei der Bismarck Ramu Group. Sie befasst sich vor allem mit den Folgen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit der Menschen der Provinz Madang. Schwerpunkt ist die Arbeit mit lokalen Gemeinschaften im Bereich der traditionellen Fischerei, die durch den Klimawandel stark beeinträchtigt wird.

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Statement Eva Bulling-Schröter

Ich ging am Mittwoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Umweltausschuss. Einem lachenden, weil wir endlich einmal direkter als sonst über den Klimawandel sprechen konnten; weil wir ihn fast gespürt haben. Denn drei beindruckende Frauen aus Asien und Afrika haben uns dies auf wunderbare Weise Nahe gebracht. Hauwa Uma-Mustaphar aus Nigeria, Zukiswa Millicent Nomwa aus Kapstadt und Serafhina Gigira Aupong aus Papua-Neuguinea.

Wir hörten und sahen bei einer Präsentation, wie immer mehr Land verloren geht durch den Meeresspiegelanstieg. Wie auf der anderen Seite aber purer Wassermangel herrscht, der durch fehlendes Trinkwasser, erschwerte Landwirtschaft und fehlendes Viehfutter Existenzen bedroht.

Dass gerade Frauen die Leidtragenden des Klimawandels sind, machten uns die drei Weitgereisten sehr plastisch, die im Rahmen eines Oxfam-Programmes in Deutschland sind. Aber die engagierten Frauen sprachen nicht nur über zustände vor Ort, sondern machten auch deutlich, dass sich endlich was bewegen muss. Und zwar vor allem auf unserer Seite. Die Wunschlisten der verschiedenen Weltklimakonferenzen müssen endlich Realität werden. Auf der nächsten in Durban im Dezember müssen wir uns dafür einsetzen, dass Europa sich bedingungslos zu einem verbindlichen Minderungsziel von minus 30 Prozent Treibhausgasen gegenüber 1990 einsetzt. Die in Kopenhagen und Cancun zugesagten Gelder für Klimaschutztechnologien, Anpassung an den Klimawandel und Waldschutz im globalen Süden müssen fließen. und zwar zusätzlich zu bisherigen Zusagen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit oder dem Biodiversitätsschutz.

In diesem Prozess muss Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen. Aber nicht nur das, wir müssen die anderen Länder mitziehen, um dem Klimawandel entgegen zu treten. Zukiswa Millicent Nomwa aus Südafrika hat recht: „Es wurde schon zu viel gesprochen. Jetzt ist es Zeit zu handeln.“


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