Der Wald als eierlegende Wollmilchsau
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- 17 Januar 2011
Der Wald hat mich schon immer fasziniert. In einer Biologen-Familie aufgewachsen, wurde mein Interesse an der Natur früh gefördert. Der Wald hat seine eigene Faszination. In Märchen meist unheimlich dargestellt, war er für mich eher ein Ort, in dem Vogelstimmen gelernt, Wild beobachtet oder Pilze gesammelt wurden. Mein Vater war Jäger. Den Beutetrieb hat er mir zwar nicht vererbt, aber an die Waldbesuche habe ich sehr schöne Erinnerungen.
Wenn ich heute in den Wald gehe, mischen sich die schönen Kindheitserinnerungen mit der Sorge um den Wald. Er hat sich verändert und ist eben nicht nur das Zuhause für die Tiere und Pflanzen. Hier wachsen auch die Bäume, die später als Schrank in der guten Stube stehen oder uns im Ofen und Kamin wärmen. Heute muss der Wald mehr denn je eine forstliche eierlegende Wollmilchsau sein. Er soll schön aussehen, Waldtiere und uns schützen und gleichzeitig viel Holz liefern.
Wald ist viel mehr als die Summe seiner Bäume. So alt der Spruch, so richtig ist er noch immer. Die wohl sichtbarste Nutzung ist das Holz. Daraus sollen Möbel gebaut, Papier hergestellt oder zunehmend auch wieder geheizt werden. Aktuell wächst die Konkurrenz zwischen stofflicher und energetischer Nutzung. Es treibt Sägewerkern den Angstschweiß auf die Stirn, wenn gutes Furnierholz verbrannt wird. Die Energieriesen bezahlen einfach besser für das kostbare Holz. Kaskadennutzung heißt das neue Zauberwort zur Problemlösung. Also erst einen Schrank aus dem Holz bauen, dann eine Pressspanplatte aus dem Schrank herstellen und zuletzt die Pressspanplatte im Biomassekraftwerk – nicht im heimischen Kamin wegen der giftigen Dämpfe! – verfeuern zur Energiegewinnung. So einfach das Konzept, so schwierig die Umsetzung. Denn der Hunger nach Energieholz wächst stetig, seit Holzpellets als Schüttware leicht transportierbar sind. Aber mehr Abholzen geht auch nur sehr begrenzt, höchstens durch Holzmobilisierung in den Klein- und Kleinstprivatwäldern. Wenn mehr Holz geschlagen wird als nachwächst, würde die Forstwirtschaft ihr eigener Totengräber werden, obwohl sie quasi die Nachhaltigkeit vor 200 Jahren erfunden hat.
Nicht nur durch die Holznutzung gerät der Wald unter Druck. Auch andere Ansprüche machen ihm das Leben schwer. Es gibt eine Vielzahl von Zielkonflikten. Wälder sollen einerseits als Orte der Erholung öffentlich zugänglich sein, andererseits wollen wir dort möglichst viele seltene Tier- und Pflanzenarten schützen. Die Waldwege sollen für Reiter und Fahrradfahrer gleichermaßen nutzbar bleiben. Das Wild braucht Ruhezonen. Wo auf dem Waldweg Mountainbikes entlang gehetzt und mit dem GPS-Gerät durchs Unterholz gelaufen wird, sind umstürzende Altbäume und fallende Äste gefährlich, die als Lebensraum für Pilze und Insekten überlebenswichtig sind. Ihr Leben hängt von der ökologischen Nische Totholz ab. Im aufgeräumten Wirtschaftswald fehlen solche Waldjuwelen, aber die Betretungsgefahren sind dadurch gerade in naturnahen Wäldern besonders hoch. Auch hier muss zwischen dem Interesse der Waldbesucherinnen und Waldbesucher und dem öffentlichen Interesse des Artenschutzes abgewogen werden. Mit den Bedürfnissen der Holzindustrie in Verbindung gebracht, stellt das viele Försterinnen und Förster vor schier unlösbare Aufgaben. Bei der Lösungssuche brauchen sie unsere politische Unterstützung.
In der Zukunft sehe ich eine noch wachsende Bedeutung des Waldes. DIE LINKE will bei den unterschiedlichen Interessen im Wald ein entschiedenes Sowohl-als-auch. Waldjongleure sind gefragt, die Naturschutz, Holzproduktion und Naherholung vereinen können. Dafür brauchen wir in den Forstbetrieben ausreichend gut ausgebildete und fair bezahlte Frauen und Männer. Auf unserem Stand auf der Grünen Woche wollen wir auf ihre engagierte Arbeit hinweisen sowie verschiedene Wald-Themen vorstellen und diskutieren.