Kreislauf- oder Abfallwirtschaft? Kommentar zum Referentenentwurf des BMU von 2. November 2010
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- 17 Februar 2011
Kreislauf- oder Abfallwirtschaft? Das ist die Frage. Der Auftritt der Bundesregierung zum Entwurf des neuen Abfallgesetzes verspricht wenigstens dem Titel nach die übliche „Wende“. Die Abfallwirtschaft, zuletzt durch das „Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz“ geregelt, soll zur reinen Kreislaufwirtschaft mutieren. Dem Titel zufolge wird in der BRD der Abfall jetzt konsequent abgeschafft; jedenfalls impliziert dies die neue bzw. abgekürzte Bezeichnung „Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)“.
Doch genügt das Gesetz diesem hohen Anspruch, wenn eine Recyclingquote von 65 % als Zielmarke gesetzt wird und 64 %, vergl. Abfallbilanz 2008, bereits erreicht werden? Ganz klar nein, eine maßgebliche „Wende“ lässt sich so jedenfalls nicht feststellen. Angesichts der zukünftigen Pflicht zur Einführung einer Biotonne wirkt das gesetzte Ziel noch dürftiger, denn um einige Prozentpunkte wird sich die Verwertungsquote allein wegen der getrennten Erfassung von Bioabfällen zusätzlich erhöhen. Sie läge dann bereits über der Zielmarke.
Fehler liegen bei der Verwertung schon bei der eigentlich zum Jahresende 2010 umzusetzenden Richtlinie der EU, die die thermische Verwertung explizit nennt, die stoffliche Verwertung aber unter „sonstig“ einordnet und sie der thermischen gleichsetzt. Und um es zu erwähnen, getrickst wird in der Richtlinie selbst, wenn bei den Effizienzberechnungen zur Verbrennung bei der Stromerzeugung mit einem Faktor von 2,6 gerechnet wird, um die Effiziensschwelle zu überschreiten. Diese Manipulation verhindert eine pflichtgemäße Nutzung der Abwärme - die Kraft-Wärme-Kopplung - bei Verbrennungsanlagen sehr effektiv. So wird die Effizienzverpflichtung im Wesentlichen ausgehebelt.
Die 5-stufige neue Abfallhierarchie zeigt sich momentan daher als Papiertiger. Wenig bemerkt und dazu passend tut sich auch bei der Sammlung von Batterien nur wenig. Zwar gilt ab 2016 ein Zielwert von 45%, doch gemessen an der aktuellen Sammelquote von 42% ist das Ziel erheblich zu niedrig angesetzt. Eine gute Lösung für eine annähernd absolute Erfassung fehlt gänzlich. Dabei werden Batterien und zunehmend Akkus wegen ihres Rohstoffverbrauchs zum Problem und sind im Abfall hochgiftig.
In einem Punkt setzt der Gesetzentwurf der Bundesregierung sich über die Richtlinie schlicht hinweg. Es wird gefordert, dass Abfälle in der nächstgelegenen Anlage behandelt werden müssen. Diesen Ansatz des „Näheprinzips“ sucht man im Entwurf des „KrWG“ vergebens. Aber übersehen wurde da mit Sicherheit nichts, denn der „Mülltourismus“ bringt die Kassen bundesdeutscher Entsorgungsunternehmen zum Klingeln. Dann wird man wohl mal etwas vergessen dürfen. Egal, ob Müllimporte Straßen verstopfen, verstärkt Emissionen die Luft verunreinigen oder Rückstände aus den Verbrennungsanlagen in Giftkavernen untertage gebunkert werden müssen. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird die Notifizierung bei der EU dieses „Versäumnis“ jedoch aufdecken.
Ein ganz besonderes Problem wird auf die Kommunen zukommen, denn die bisherigen „Überlassungspflichten“ bedeuteten für sie Planungssicherheit. Die Abfallsammlung für Siedlungsabfälle und teilweise auch für Abfälle aus sonstigen Bereichen lag unantastbar in den Händen der Kommunen. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sah das so vor; gestützt wurde diese Rechtsstellung der Kommunen durch ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom Juni 2009 zur Sammlung von Papier.
Das neue Abfallgesetz sieht jetzt faktisch die Privatisierung bisher kommunaler Verantwortung vor. Das befürchtete „Rosinenpicken“, bei dem die gewerbliche Abfallsammlung Wertstoffe einsammelt und die Gewinne daraus privatisiert - Einnahmen wirken so nicht gebührensenkend - stellt dabei nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Implikationen im zukünftig neuen Recht sind bisher noch gar nicht umfassend interpretiert worden. Man muss sich die Formulierung des § 17 Absatz 3 aus dem Referentenentwurf des KrWG „Satz 2 gilt nicht, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger offensichtlich nicht in der Lage ist, die von der gewerblichen Sammlung angebotenen Sammel- und Verwertungsleistungen in gleicher Qualität, Effizienz und Dauer selbst oder unter Beauftragung Dritter zu erbringen.“ einmal so richtig auf der Zunge zergehen lassen. Mit dieser Formulierung wird das Tor zu der vollständigen Übernahme der Sammlung von Privaten geöffnet. Effizienter können Sammelleistungen dann nämlich sein, wenn ab dem 1. Mai ausländische Entsorgungsunternehmen mittels Dumpinglöhnen gemäß Bezahlung nach dem Herkunftslandprinzip kosteneffizienter sammeln. Dann steht die kommunale Sammlung nicht nur bei den Rosinen, sondern gänzlich zur Disposition.
Das neue Abfallrecht zeigt sich an dieser Stelle als Baustein der allumfassenden Privatisierung öffentlicher Leistungen mit der neoliberal typischen Zielrichtung der Verringerung von Lohneinkünften der bundesdeutschen Bevölkerung. Dazu kommt, dass es in abfalltechnischer Hinsicht wenig bringt.
DIE LINKE.n Eckpunkte zum Abfallrecht:
- Verankerung des Klimaschutzes in den Zielen
- Konsequente Umsetzung des „Näheprinzips“ gemäß §16(3) der Richtlinie 2008/98/EG
- Genehmigung für Neuanlagen zur Abfallbewirtschaftung aus Siedlungsaufkommen und überlassenen Gewerbeabfällen nur bei Vermeidung entstehender Überkapazitäten
- Progressive Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft durch steigende Zielwerte von Verwertungsquoten bei Siedlungsabfällen und Bauschutt
- Anzeigepflichten für Nebenprodukte und das Ende der Abfalleigenschaft
- Uneingeschränkte Überlassungspflichten an Kommunen für Siedlungsabfälle und nicht selbst verwertete Abfälle sonstiger Herkunft; Beibehaltung der bisherigen Ausnahmen (Verwertung auf eigenem Grundstück, Pfandsysteme)
- Einführung der Wertstoff-, Papier- und Biotonne, Auflösung des DSD-Systems; Glassammlung wie vorher an zentralen örtlichen Punkten
- Reduzierung der Abfallverbrennung
- Nachhaltigkeit in der Produktverantwortung konsequent umsetzen, z. B. durch Förderung langlebiger Produkte
- Besteuerung des Ressourcenverbrauchs je nach Rohstoff, z. B. durch Einwegsteuern auf bestimmte Produkte
- Pfandsysteme für technische Geräte
- Produktkennzeichnungen mit Entsorgungshinweisen
- Keine Übertragung hoheitlicher Aufgaben (wie Gebührenerhebung an Private)
- Überwachungspflichten nicht nur für gefährliche Abfälle
- Regelungen zu Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen auch für Nicht-Siedlungsabfälle
- Nachweispflichten auch für Nicht-Siedlungsabfälle