Bundestags-Anhörung zu Tschernobyl und Fukushima
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- 26 April 2013
- von Brian Petter
Im Jahr 2010 wurde die Laufzeit der 17 Atomreaktoren in Deutschland verlängert. Vier Monate nach Fukushima im Jahr 2011 beschloss der Bundestag den Atomausstieg bis 2020. GegnerInnen und SkeptikerInnen dieses Vorhabens leisten kontinuierlich Widerstand. Doch gelegentlich wird einer der Hauptgründe vergessen, weshalb Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen ist: Die nuklearen Katastrophen, die die Welt in ihrer Zeit prägten und veränderten. Am 24. April 2013 fand im Umweltausschuss des Bundestages ein Fachgespräch statt, anlässlich des Jahrestages des Unglücks in Fukushima, zum Thema Tschernobyl / Fukushima.
Als Sachverständige waren Frau Dr. med. Dörte Seidentopf (IPPNW), Herr Wladimir Kuzetsov (Green Cross Russland) und Herr Hideyuki Ban (Citizens´ Nuclear Information Center) geladen. Die Sachverständige wurden in Rahmen einer Videokonferenz aus Moskau und Tokio zugeschaltet, was eine Premiere für den Umweltausschuss des Bundestages darstellt. Bei dem Fachgespräch wurden insbesondere die beiden Reaktorunglücke ins kollektive Gedächtnis gerufen. Verdeutlich wurden dabei die Gefahren und die langfristigen Auswirkungen einer solchen Energiequelle.
Zur gegenwärtigen Lage des AKWs in Tschernobyl berichtete aus Moskau Herr Kuzetsov. Er selbst war 1986 an der Bekämpfung des Gaus beteiligt und als Liquidator für die Beseitigung der radioaktiven Strahlung am Reaktor in Tschernobyl tätig. Er betonte, dass das AKW nach wie vor eine Gefahr für die Bevölkerung und die Umwelt bleibt. Der alte Betonsarkophag, welcher die radioaktive Strahlung abdichtet, sei beschädigt, ein neuer werde nun gebraucht. Leider habe die ukrainische Regierung nicht genügend Ressourcen, um das mittlerweile 1,6 Mrd. Euro teure Projekt zu finanzieren. Außerdem sei für die Hauptquelle der Gefahr, die vor Ort gelagerten radioaktiven Stoffe, keine kurzfristige Lösung vorhanden. Der derzeitige Plan zur Beseitigung der gelagerten brennstoffhaltigen Massen und kontaminierten Materialien solle erst im Verlauf die nächsten 100 Jahre umgesetzt werden. Das natürlich nur, wenn davor ein Endlager gefunden werde. Es besteht nach Herr Kuzetsov nicht nur für die Ukraine, sondern auch für ganz Europa die Gefahr, dass Boden und Wasser in großem Ausmaß kontaminiert werden.
Die Angst vor der Kontamination der Böden und Gewässer teilt die japanische Bevölkerung, berichtete Herr Hideyuki aus Tokio. Die gegenwärtige Situation der Anlage, 2 Jahre nach dem Unglück, sei noch ungewiss und eine langfristige Lösung noch nicht gefunden. So werde beispielsweise das kontaminierte Wasser, welches durch die Reaktoren fließt, in Tanks zwischengelagert. Was mit dem verstrahlten Wasser passieren soll, dafür habe Keiner eine Antwort. Nach Hideyuki wird inzwischen der Platz für die Tanks knapp und ein Teil des Wassers ist bereits in den Boden eingedrungen. Die Böden seien nicht nur vor Ort kontaminiert, sondern auch weit über die Region Fukushima hinaus.
In wie fern sich diese Gefahren auf die menschliche Gesundheit auswirken, erläuterte Frau Dr. med. Seidentopf. Besonders wichtig sei hier die Höhe der Strahlendosis, die ein Menschen in einem Jahr durch externe Strahlenbelastung oder durch die Aufnahme radioaktiver Nahrungsmittel bekommt. In Japan sei nach dem Unglück in Fukushima die Höchstdosis so stark angestiegen, dass sie letztendlich dem 100-fachen der Höchstdosis in Deutschland entspreche. Dies entspricht rund 5000 Röntgenaufnahmen der Lunge. Die zu erwartenden Auswirkungen durch diese hohe Strahlendosis sind laut Dr. med. Seidentopf Zellmutationen und -beschädigungen, darunter Krebs, Totgeburten, Invalidität, Immunschwäche, Tumore, Zysten, Diabetes, Mongolismus oder Trisomie 21. Allein in der Region Fukushima seien schon bei 55.592 Kinder Schilddrüsenzysten und –knoten festgestellt worden, welche als Krebsvorstufe für Kinder gelten. Dokumentierte Fälle von Schilddrüsenkrebs bei diesen Kindern gibt es bereits.
Fukushima und Tschernobyl sind keine Einzelfälle, die Liste wird seit 70 Jahren immer länger. Sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen all dieser Unfälle sind für Mensch und Umwelt nicht ansatzweise abschätzbar. Alle Sachverständigen waren sich in diesem Punkt einig. Es gibt nur eine Lösung, um weitere Katastrophen zu verhindern: den Atomausstieg und die Förderung der erneubaren Energien.