Nachtspeicherheizungen für die Energiewende?
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- 2 Juli 2013
- von Günther Frey
Nun hat es die schwarz-gelbe Koalition geschafft. Sie kann bei den Energiekonzernen Vollzug melden: Nachtspeicherheizungen müssen nicht mehr bis 2020 stillgelegt werden. Das auch der Bundesrat den Beschluss der Bundesregierung durchgewunken hat, obwohl sich der Umweltausschuss dagegen ausgesprochen hatte, ist mehr als peinlich.
Wir erinnern uns, 2008 wurde durch die große Koalition aus SPD und CDU ein §10e in die Energieeinsparverordnung (EnEV) eingeführt. Er sah einen, allerdings löchrigen, Ausstieg aus der Nutzung von Nachtspeicherheizungen bis 2020 vor. Schon damals hatte insbesondere die oppositionelle FDP erkennbare Probleme damit.In der Neuauflage 2013 wird nun unter anderem auf das Projekt "Windheizung" der RWE Effizienz GmbH verwiesen, die den behaupteten überschüssigen Strom aus regenerativen Energieanlagen für den Betrieb von Speicherheizungen mit lastvariablem Tarif nutzen möchte.
Die Ökologiebewegung dagegen lehnte diese stromfressenden Heizungen seit langem ab.
In einer Studie des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme und des Bremer Energieinstituts wurden 2007 die Effizienz-Potenziale analysiert, die durch Ersatz von elektrischem Strom im Raumwärmebereich bestehen, und Vorschläge für ein Umstellprogramm ausgearbeitet (was letztlich zum § 10 e der EnEV und Förderungen durch die KfW führte). Ein wesentlicher Gesichtspunkt der Analyse betraf die Analyse der Wertigkeit von elektrischem Strom. Unabhängig von der Quelle der Bereitstellung, also ob Kohle-, Atom- oder Windstrom, wird die elektrische Energie in Heizungen durch die Umwandlung in Niedertemperaturwärme extrem entwertet (Carnotsches Gesetz). Elektrischer Strom ist hochwertige Energie (100% Exergie) und sollte daher immer vorrangig für Anwendungen verwendet werden, die ausschließlich mit elektrischem Strom bewerkstelligt werden können, z.B. Betrieb elektronischen Geräte, Elektro-Motoren u.a.. Diese physikalische Gesetzmäßigkeit ist demnach unabhängig von den bekannten Umwelteffekten zu beachten. Mit anderen Worten, Ökostrom in Nachtspeicher- oder anderen Elektroheizungen einzusetzen, ist extrem verschwenderisch und widerspricht dem Grundsatz einer nachhaltigen Verwendung knapper Ressourcen.
Der Geschäftsführer der dena, Stefan Kohler, jedoch behauptete 2008 bereits, dass "Windstromüberschüsse" in der Nacht vorkommen und diese bestens in Nachtspeicherheizungen "gespeichert" werden könnten. Der Mann hätte es doch wissen müssen. Als ehemaliger Öko-Institut Energiefachbereichsleiter konnte er eigentlich kaum behaupten, dass so etwas vorkommt. Trotzdem machte das Märchen von den Ökostromüberschüssen und einer angeblichen sinnvollen Verwendung in Elektroheizungen, wenn auch später abgeschwächt in Form von Elektrowärmepumpen, die Runde, bis sogar in diverse Verbände hinein.
Inzwischen wurde durch Untersuchungen von Eva Hauser und Kollegen (siehe Sonnenenergie, 1-2013 bzw. IZES) nachgewiesen, dass selbst im Sommer mit hoher PV- und Windstromeinspeisung die benötigte Netzlast nicht erreicht wird. Im Winter liegen, bei ohnehin höherem Strombedarf, die Leistungen der regenerativen Stromeinspeisung deutlich unterhalb der Gesamtlast. E. Hauser schreibt: "Somit besteht derzeit im Gesamtsystem keine Notwendigkeit, ein "Überschussmanagement" zu betreiben. Im Niedertemperaturbereich, so wird angeraten, sollten vor allen Dingen Solarthermieanlagen vermehrt eingesetzt werden.
Die Ausweitung einer Nutzung von Elektrowärmepumpen und neuerdings auch Elektroheizkesseln in KWK-Anlagen (diese kommen vermehrt bei Stadtwerken zum Einsatz) haben zur Folge, dass zusätzliche Kohle- und Atomkraftwerke laufen müssen. Elektroheizkessel führen nämlich im Day-ahead-Markt zu zusätzlicher Nachfrage nach billigem Strom, der dann z.B. durch Braunkohlestrom gedeckt wird. Dies bedeutet mindestens, dass konventionelle Kraftwerke erst später abgeschaltet werden können als ursprünglich geplant.
Wie aber sieht es in Zukunft aus? Prinzipiell könnten dann im optimalen Fall Elektrowärmepumpen ausschließlich mit erneuerbarem Strom betrieben werden.
Forscher der Fraunhofergesellschaft haben dies für das Jahr 2050 simuliert. E. Hauser und Kollegen sehen jedoch durch ihre Untersuchungen bis ins Jahr 2030 keinen Bedarf für "Stromsenken" in Form von Elektrowärmeanwendungen und bezweifeln die ökologische Sinnhaftigkeit der Anwendungen.
Es macht sicher Sinn, Lastverschiebungspotenziale zu erschließen, die beispielweise in der Industrie vorhanden sind, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie im Auftrag von agora Energiewende und des Umweltministeriums in Baden-Württemberg und Bayern (Lastmanagement als Beitrag zur Deckung des Spitzenlastbedarfs in Süddeutschland) ermittelt hat. Der Rückgriff auf vermeintliche Potenziale durch Nachtspeicherheizungen und Elektrowärmepumpen ist jedoch gänzlich verfehlt. In beiden Fällen liegt es nahe, zunächst einmal die vorhandenen Energieeffizienzpozenziale zu heben. Die jetzige schwarz-gelbe Regierung jedoch setzt auf die Subventionslogik durch extensive Kostenentlastung der Industrie, anstatt in Industrie und Gewerbe Anreize zu setzen, um Stromeinsparpotenziale zu erschließen. (Vorbild hätte hierbei die dänische Energiepolitik sein können). Man darf gespannt sein wie Grün-Rot in Baden-Württemberg hier gegensteuert.
Die Energiewende muss also, neben einer fortschrittlichen Weiterentwicklung des Ausbaus erneuerbarer Energien, ebenso die Nachfrageseite beachten. Werden im nächsten Jahrzehnt tatsächlich Ökostromüberschüsse in nennenswertem Umfang anfallen, so sollten diese in elektrischen Speichern möglichst nahe an den Standorten der Anlagen gespeichert werden. Und zwar mit dem Ziel den konventionellen Kraftwerksbedarf so minimal wie möglich zu halten. Dies würde die Energiewende endlich beschleunigen.Günther Frey ist Dipl. Physiker und war zuletzt von 2001 bis Mitte 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim IZES - Institut für ZukunftsEnergieSysteme. Sein Hauptarbeitsfeld waren Studien zur kommunalen Energieversorgung, Energieeffizienz sowie internetbasierter Energiesparsysteme. Er arbeitet seit Januar 2013 beim Kreisverband der Partei Die Linke in Mannheim mit.