Faule Ausreden in der Braunkohlepolitik



Unwissenheit schützt nicht vor Unglaubwürdigkeit – auch nicht DIE LINKE


Als die Landesspitze der Linken im Jahr 2009 ihre Basis vom Koalitionsvertrag mit der SPD überzeugen wollte, hatte sie es zu Recht vor allem bei der von Matthias Platzeck aufdiktierten Braunkohlenpolitik schwer. Sie löste das Problem mit der Behauptung, in der Legislaturperiode bis 2014 werde ja noch keine Entscheidung über neue Tagebaue fallen.

Inzwischen kann vor der Öffentlichkeit nicht mehr versteckt werden, wie sehr die Regierung versucht, noch vor der nächsten Landtagswahl zum Tagebau Welzow II Tatsachen zu schaffen. Denn die Umsiedlung von 810 Menschen, die Abbaggerung von Teilen Welzows, eine unzumutbare Halbinsellage der Stadt Welzow im Tagebaugebiet, 200 Millionen Tonnen CO2-Emissionen – das alles soll mit den Stimmen auch der linken Minister noch vor der Sommerpause 2014 als Rechtsverordnung festgeschrieben werden.

Nach einem ersten Anhörungs- und Beteiligungsverfahren wurde der Planentwurf zurückgezogen, weil unter anderem der Nachweis für die energiepolitische Notwendigkeit fehlte. Nun kommt es ab 20. Juni und bis 17. September zu einem Neuanlauf. Gegen diese Tagebaupläne protestiert am Donnerstag Mittag ein breites Bündnis von betroffenen Bürgern und Verbänden in der Potsdamer Innenstadt am Nauener Tor unter dem Motto „Kein weiteres Dorf abbaggern“.

Die Koalitionspolitiker greifen derweil erneut zu einer Notlüge: Angeblich sei Welzow II gar kein neuer Tagebau. Tatsächlich gibt es zwar kein geltendes Gesetz, in dem wörtlich der Begriff „neuer Tagebau“ definiert wäre. Logisch und nachvollziehbar ist aber, dass ein Tagebau, der noch keine bergrechtliche Genehmigung (Rahmenbetriebsplan) hat, ein neuer Tagebau sein muss. Die Regierenden dagegen scheuten schon unter Rot-Schwarz keine rhetorische Verrenkung, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

Start der Einwendungsphase am 20. Juni 2013 in Potsdam, Foto: Axel Kruschat2008 hatte der Landtag dank mehr als 24 000 Unterschriften die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue – für eine zukunftsfähige Energiepolitik“ auf der Tagesordnung. Deren Gesetzentwurf enthielt in Artikel 1 eine klare Definition, was die Initiative unter neuen Tagebauen versteht und Welzow II zählt eindeutig dazu.

Hier wird es für die Partei Die Linke interessant. Sie hatte die Volksinitiative mitgetragen, ihr damaliger Landesvorsitzender Thomas Nord hatte sogar im Namen des Bündnisses den Gesetzentwurf in einer Landtagsanhörung mitvertreten. Heute sind nahezu alle linken Spitzenfunktionäre Brandenburgs zur abstrusen Sichtweise der Regierung konvertiert. Ob die konkreten Personen sich mit dem Gesetzentwurf der eigenen Volksinitiative jemals beschäftigt haben ist zwar nicht sicher, aber Unwissenheit schützt nicht vor Unglaubwürdigkeit.

Das zweite derzeit in Brandenburg laufende Braunkohleplanverfahren ist Jänschwalde-Nord. Es droht den Dörfern Grabko, Kerkwitz und Atterwasch mit der Umsiedlung, der Stadt Guben mit der Zerstörung ihres Umfeldes und Dörfern wie Taubendorf und Groß Gastrose mit einer unzumutbaren Lage zwischen Tagebauloch und Grenzfluss Neiße. Hier ist tatsächlich keine Rechtsverordnung vor der nächsten Landtagswahl mehr realistisch. Aber kann man sich damit aus der Verantwortung für das laufende Verfahren stehlen?

Geht es nach dem offiziellen Zeitplan der Braunkohlenplaner, fällt in diese Legislatur auf jeden Fall noch die Veröffentlichung eines Planentwurfes. Damit hätte der Tagebau Jänschwalde-Nord bereits einen Rechtsstatus: Als „in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung und Landesplanung“ wäre er bei anderen Planungen schon zu berücksichtigen. Ganz zu schweigen von der weiteren jahrelangen Zermürbung der betroffenen Dorfgemeinschaften. Jede Koalition, die dieses Verfahren nicht stoppt, sondern weiterführt, trägt also Verantwortung für die Inhalte des Plans, selbst wenn sie erst ein nächstes Kabinett beschließen (oder ablehnen) würde.

Die aus dem Jahr 2008 stammende Begründung des Tagebaues Jänschwalde- Nord ist der Bau eines Großkraftwerkes mit CO2-Abscheidung (CCS) am Standort Jänschwalde und die unterirdische Verpressung des Gases an einem nicht genannten Ort. So ist die Aktenlage bis heute, ein neues Kraftwerk ohne CCS schließen inzwischen sowohl Vattenfall als auch Landesregierung offiziell aus. Nachdem klar ist, dass die CCS-Technologie weder auf Akzeptanz stößt noch wirtschaftlich sein wird, ist die einzige logische Schlussfolgerung, das Planverfahren Jänschwalde-Nord endlich zu beerdigen.

Als ein Landesminister den betroffenen Menschen im Januar 2012 weismachen wollte, man könne ein solches Verfahren aus rechtlichen Gründen nicht einstellen, reagierten Grüne Liga und Deutsche Umwelthilfe umgehend mit einem Rechtsgutachten. Das Ergebnis: Es geht problemlos, man muss es nur wollen.

Das Arsenal an faulen Ausreden ist in der brandenburgischen Braunkohlepolitik zwar fast unerschöpflich, aber meist mit wenig Aufwand zu widerlegen. Die linke Basis jedenfalls hat bereits vor einem Jahr mit einem Parteitagsbeschluss gezeigt, welche Politik sie vertreten wissen will. Bis heute ohne sichtbare Folgen im Handeln ihrer Landesfunktionäre.

Einwendungen können hier heruntergeladen werden.

Der Autor ist Mitglied im Bundessprecherrat der Grünen Liga, leitet den Arbeitskreis Braunkohle und ist seit 1999 Mitglied im Braunkohleausschuss des Landes. Der Artikel erschien am 19. Juni 2013 in der PNN.