„Erkennbar bleiben und nicht verwässern“ – Interview mit Norbert Wilke, Sprecher der LAG Umwelt Brandenburg


Am 18. und 19. Februar 2012 trifft sich die Brandenburger LINKE zum Landesparteitag. Dort wird nicht nur ein neuer Landesvorstand gewählt, sondern auch über die zukünftige Energiepolitik Brandenburgs diskutiert. Seit Monaten gibt es im Landesverband eine kontroverse Diskussion über die weitere Nutzung der Braunkohle, neue Tagebaue und CCS. Die Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt hat mit dem Antrag „Für eine zukunftsfähige Energiepolitik“ an den Landesparteitag klar Stellung bezogen. Mit ihrem Sprecher – Norbert Wilke – sprach nachhaltig-links.de.


NL: Worum geht es beim Energiestreit in der Brandenburger Linkspartei?

Wilke: Es geht um eine grundlegende Weichenstellung. Wollen wir mittelfristig aus der Braunkohleverstromung aussteigen und gleichzeitig alles dafür tun, dass die Erneuerbaren wachsen. Oder wollen wir so lange wie möglich an der Braunkohle festhalten. Die Linke hat im Wahlkampf 2009 klar gesagt: Braunkohle bis 2040, nicht länger! Dafür wurden wir gewählt, daran werden wir auch 2014 gemessen.

NL: Was fordert die Landesarbeitsgemeinschaft in ihrem Antrag?


Wilke: Wir haben fünf Punkte: Die Energiestrategie 2030 soll offen diskutiert und vom Landtag beschlossen werden, wir wollen keine Hinterzimmerbeschlüsse. An den Klimaschutzzielen, zu denen wir uns im Koalitionsvertrag bekannt haben, wollen wir weiter festhalten. Es ist schon traurig genug, dass rot-rot beim Klimaschutz nicht mehr leisten will, als es rot-schwarz einmal vereinbart hat. Ich persönlich wäre gerne ambitionierter. Weiterhin lehnen wir CCS ab, sprechen uns gegen neue Tagebaue und Braunkohlekraftwerke aus. Das geht problemlos, wenn wir uns nicht als Stromexportland verstehen, sondern uns auf den Bedarf von Berlin-Brandenburg konzentrieren.

NL: Warum ist Euch der Verzicht auf neue Tagebaue und ein neues Braunkohlekraftwerk so wichtig? Irgendwoher muss der Strom doch kommen?

Wilke: Natürlich kommt der Strom auch in Zukunft aus der Steckdose, aber eben erneuerbar und nicht fossil! Laut einer Studie für das Wirtschaftsministerium kann der Energiebedarf der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg im Jahr 2030 komplett aus erneuerbaren Energien abgesichert werden. Das bedeutet: Jeder konventionell erzeugte Strom muss exportiert werden. Warum sollten wir dann weiter schädliche Klimagase aus Braunkohlekraftwerken ausstoßen und die Landschaft wegen Tagebauen zerstören? Wie können wir es verantworten, dass deswegen weitere Menschen umgesiedelt werden? Brandenburgs Menschen und Umwelt zahlen dafür, dass Vattenfall Strom nach Bayern liefern kann. Für mich ist das keine zukunftsfähige Politik. Stromexport darf kein Ziel, sondern muss ein Nebenprodukt sein.

NL: Euer Antrag hat im Vorfeld bereits für Debatten gesorgt. Die radikalen Forderungen werden wohl keine Mehrheit bekommen, oder?

Wilke: Wir haben keine radikalen Forderungen, im Gegenteil: Wir bieten einen Kompromiss an. Wir fordern das, was in der Partei bis zur Regierungsbeteiligung als mittelfristiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung mehrheitsfähig war. DIE LINKE hat sich an der Volksinitiative gegen neue Tagebaue beteiligt, warum sollten wir nun für neue Tagebaue sein? Der Beschluss, bis 2040 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen verträgt sich nicht mit dem Bau eines neuen Kraftwerkes, welches deutlich länger laufen würde. Und kritische Töne zu CCS haben wir früher auch schon gefunden. Also alles andere als radikal, sondern konsequent. Radikal wäre die sofortige Stilllegung des Kraftwerks Jänschwalde und die Vergesellschaftung der großen Energieversorger. Das steht übrigens im Parteiprogramm.

NL: Rechnest Du also mit einer Mehrheit für den Antrag?

Wilke: Der Landesparteitag ist souverän und so sollte er auch entscheiden. Immer wieder fordern wir von uns selbst, dass wir auch in Regierungsverantwortung erkennbar bleiben sollen. Genau das hat unser Antrag zum Ziel. Erkennbar bleiben und nicht verwässern.