Neue Wege für mehr Tierwohl?
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- 30 September 2014
„Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl“. So heißt die Initiative, deren Eckpunkte Bundesagrarminister Schmidt diese Woche im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur Diskussion stellte.
Auch wenn ihr Prinzip der „verbindlichen Freiwilligkeit“ zu Recht als viel zu zögerlich von vielen Seiten verrissen wurde, ist sie bei genauer Betrachtung wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es werden viele gravierende Tierschutzprobleme angesprochen und damit vom zuständigen Minister anerkannt, die noch vor nicht allzu langer Zeit geleugnet wurden. Und diese Einsicht kann ja ein Anfang für mehr Tierwohl sein.
Auch DIE LINKE hat mit ihren immer wieder gestellten Forderungen dazu beigetragen. In unserem aktuellen Antrag 18/1872 „Bestandsobergrenzen für Tierhaltungen einführen“ verlangen wir z. B. die Deckelung von Tierbeständen. Damit wollen wir verhindern, dass zu viele Tiere an einem Standort oder in einer Region gehalten werden. Denn Mega-Ställe machen Mega-Probleme. Nicht zuletzt für die Anwohnerinnen und Anwohner. Denn durch zu hohe Bestandsdichten steigt das Risiko für Belastungen von Böden, Gewässer und Luft oder für Tierseuchen. Hohe Verkehrsaufkommen durch Ver- und Entsorgung erzeugen Lärm und Straßenschäden.
Aber nicht nur Megaställe sind ein Problem. Auch das Töten männlicher Küken oder das Kürzen von Geflügelschnäbel und Ferkelschwänzen muss so schnell wie möglich aufhören. Wo Forschungsbedarf besteht, müssen so schnell wie möglich Kenntnislücken geschlossen werden. Masthähnchen gegen das Federpicken dauerhaft im Dunkeln zu halten ist zum Beispiel keine Option. Aber mehr Auslauf, geringere Bestandsdichten, Beschäftigungsmaterial oder eine ausgewogenere Futterzusammensetzung können zur Lösung des Problems beitragen. Forschungsbedarf als Ausrede ist dagegen nicht akzeptabel. Zum Beispiel muss der Schenkelbrand zur Kennzeichnung von Fohlen unverzüglich verboten werden.
Durch geeignete Lebensmittelkennzeichnungen kann auch die Verbraucherin oder der Verbraucher zu mehr Tierwohl beitragen. Bei Frischeiern aus Boden-, Freiland- oder Ökohaltung hat das gut geklappt. Und wenn endlich auch auf der Packung Tiramisu oder auf Nudeln die verarbeiteten Eier ebenso gekennzeichnet werden müssten, wären wir noch einen Schritt weiter.
Aber entscheidend ist, dass die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels beschränkt wird, damit er sich an der Finanzierung der höheren Erzeugungskosten für mehr Tierwohl beteiligen muss. Auch ausreichend und vor allem gut geschultes sowie fair bezahltes Personal trägt zu mehr Tierwohl bei. Darüber hinaus fordern wir, dass die Ställe verbindlich von einer Tierärztin oder einem Tierarzt betreut werden.
So betrachtet ist das Glas in der Hand von Minister Schmidt eher halb voll als halb leer. Wir werden ihm auf die Finger schauen, damit die Tierwohl-Initiative kein Papier-Tiger bleibt, sondern sich endlich etwas tut – für Mensch und Tier.