Klimagerecht geht nur mit Links und nicht mit CDU/CSU/FDP

Die kapitalistischen Wachstumstreiber zerstören Lebensgrundlagen - auch mit Autobahnen durch Moore, Wälder und Städte. Eine sozial-ökologische Verkehrswende ist unverzichtbar.

Die letzte Rede von Sabine Leidig im Deutschen Bundestag am 24. Juni 2021

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Für meine letzte Rede greife ich ein bisschen zurück. Als ich 2009 in den Bundestag kam, war die Erschütterung der Finanzmarktkrise noch ganz frisch, die kapitalistische Megamaschine infrage gestellt – mit Recht. Die 500 größten Banken und Konzerne geben nämlich darin den Takt vor. Ihr einziger Zweck ist, den Shareholder-Value zu steigern. Längst ist klar, dass deshalb die Schere zwischen Hyperreichtum und Armut wächst und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden: Artenvielfalt, Ackerböden, Wasserhaushalte, stabiles Klima.

In Deutschland werden 40 Tonnen Rohstoff pro Kopf und Jahr verbraten – nachhaltig wären 6 –, zum Beispiel Eisenerz aus Brasilien. Für Autokarosserien werden riesige Flächen Regenwald gerodet und Minenarbeiter geknechtet. Statt aber die Krise für klimagerechte Erneuerung zu nutzen, hat damals die deutsche Regierung 5 Milliarden Euro für die Abwrackprämie lockergemacht. Eine große Ressourcenverschwendung! Für das Geld hätten unendlich viele Fahrradwege und Bahnstrecken hergerichtet werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

2011 hat sich der Bundestag zu einer Enquete-Kommission durchgerungen mit dem Titel: „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften“. Den Abschlussbericht kommentierte die „WirtschaftsWoche“ im Februar 2013 so – ich zitiere –:

"Die Enquete-Kommission … des Bundestages präsentiert ein Trauerspiel der intellektuellen Bedürftigkeit. Vor allem Union und FDP haben zu der … wichtigsten Frage der Zeit absolut nichts zu sagen."

Ich füge hinzu: Daran hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiteres Zitat:

"Gedankenlos wird … die PR-Phrase vom ‚nachhaltigen Wachstumʼ nachgeplappert. Als ob nicht … jedem denkenden Menschen klar sein muss, dass das ein Widerspruch in sich … ist …"

Nachdem 2019 hierzulande über 1 Million Menschen mit „Fridays for Future“ auf die Straße gegangen sind, gab es wieder eine Chance, endlich eine sozialökologische Transformation einzuleiten. Aber Ihr Klimaschutzgesetz haben selbst die industrienahen Institute für zu lasch erklärt.

Die 21-jährige Sophie Backsen ist zusammen mit Hunderten weiteren Klägern vors Bundesverfassungsgericht gegangen, weil die Inseln, auf denen sie leben, überflutet werden, wenn die Meeresspiegel steigen. Und sie bekamen Recht. Die Konsequenzen dieses Urteils sind noch gar nicht abzusehen, wenn Bürger/-innen ihre Repräsentanten für Unterlassung und für Handlungen gegen Klimaschutz zur Verantwortung ziehen können.

Ein Beispiel für Handlungen gegen Klimaschutz ist der Bundesverkehrswegeplan, genauer gesagt das Fernstraßenausbaugesetz. Das wollen wir stoppen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sieht Infrastruktur für mehr Auto- und noch mehr Lkw-Verkehr vor, was jedes Jahr eine halbe Milliarde Tonne CO2 zusätzlich bedeutet. Das steht auch in diesem Plan. Schon deshalb muss man den ganzen Plan in die Tonne treten.

Mit Blick auf konkrete Projekte wird es dann noch schlimmer. Die A 20 zum Beispiel soll durch kohlenstoffspeichernde Moorgebiete gebaggert werden – garantiert klimaschädlich. Die A 49 zerschneidet intakten Mischwald, obwohl wir alle wissen, wie wertvoll Wälder sind.

(Karsten Hilse [AfD]: Für Ihre beschissenen Windräder werden hektarweise Wald gerodet!)

Sie wollen sogar den unverantwortlichen Weiterbau der A 100 durch Berlin, während zugleich das Volksbegehren „Berlin autofrei“ erfolgreich am Start ist.

Eigentlich ist völlig klar, wie man CO2-Emissionen massiv reduzieren kann. Dazu gehört auf jeden Fall eine wirkliche Verkehrswende mit deutlich weniger motorisiertem Verkehr. Klimagerechte Mobilität geht mit guten Fuß- und Fahrradwegen, mit Zügen und öffentlichen Verkehrsmitteln für alle, Bus und Bahn statt Autobahnwegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach zwölf Jahren kandidiere ich nicht mehr für den Bundestag, auch weil die Musik für eine sozialökologische Verkehrswende anderswo spielt.

Ich bedanke mich bei den Saaldienerinnen und Saaldienern, bei den Reinigungskräften und bei all den guten Geistern, die diesen großen Tanker hier über Wasser halten. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten für gute Zusammenarbeit oder für produktiven Streit. Und ich bedanke mich bei den vielen engagierten Menschen in Bürgerinitiativen, NGOs, Gewerkschaften und aktivistischen Gruppen, die mich angespornt und inspiriert haben. Allen wünsche ich alles Gute.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU])

  

Rede als Video:                                      (Mediathek des Bundestages) oder
       youtube.com/watch?v=upCkj6DYeNY

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