Am Umstieg in die postfossile Mobilität führt kein Weg vorbei

Neues Positionspapier der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL):
Postfossile Mobilität und Raumplanung (> PDF, 819kB)

"Es gibt so gut wie keine Konzepte, wie eine nachhaltige Wirtschaftsordnung ohne fortgesetztes Wachstum des Ressourcenverbrauchs in den reichsten Ländern aussehen könnte.
Eng verwandt damit sind die Herausforderungen des Klimawandels. Das zunehmende Bewusstsein hat zu ambitionierten Treibhausgasreduktionszielen vieler Länder geführt. (...) Wenn diese Ziele erreicht werden sollen, wird dies erhebliche Konsequenzen für den Verkehr und die Raumstruktur von Regionen und Städten haben." (S. 1)

Das Positionspapier analysiert kurz den Status quo und beschäftigt sich mit der Frage, wie Raum- und Siedlungsstrukturen an die sich ergebenden Anforderungen angepasst und gemeinsam mit der Mobilität weiter entwickelt werden müssen.


Es wird dafür plädiert, die zu erwartenden Preissteigerungen für fossile Treibstoffe stetig, voraussehbar und sozialverträglich zu gestalten. Im Zusammenwirken mit einer sinnvollen Raumentwicklung könnte eine deutliche Erhöhung der "Raumüberwindungskosten" folgende Trends verstärken:

 

  • "Verkürzung der durchschnittlichen Wegelänge und Verringerung der Verkehrsleistungen im Pkw-Verkehr (sowohl Nah- als auch Fernverkehr);
  • Intensivierung der gemeinschaftlichen Verkehrsmittelnutzung im Pkw-Verkehr („Fahrzeugnutzung statt Fahrzeugbesitz“);
  • Umstrukturierung des Modal Split in Richtung auf öffentliche und nicht motorisierte Verkehre;
  • Nahverkehr: erheblicher Anteilszuwachs der Verkehrsträger des „Umweltverbunds“ (ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr, Erweiterung des Einsatzbereiches von Fahrrädern durch Elektromotorisierung); Fernverkehr: erheblicher Anteilszuwachs der Schiene zulasten sowohl des Pkw- als auch des Luftverkehrs.

(...) Kompakte, dichte und nutzungsgemischte Siedlungsstrukturen mit qualitätsreichen öffentlichen Räumen innerhalb einer differenzierten Zentrenhierarchie, kurz: städtische Siedlungsstrukturen in einer großräumig polyzentrischen Verteilung bieten die besten Optionen, mit den zu erwartenden Trends in der Veränderung des Mobilitätsverhaltens und ihrer Rahmenbedingungen zu leben. Sie können einen deutlichen zusätzlichen Beitrag u CO2-armen Verkehrsverhaltensweisen leisten und weitere günstige Effekte wie Lärmschutz, Reduktion von Unfällen sowie Förderung von Gesundheit durch körperliche Bewegung bewirken. (...)

Gemessen an den Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen existiert die beschriebene Raum- und Siedlungsstruktur bereits für den überwiegenden Teil Deutschlands, nämlich in großräumig polyzentrisch verteilten Groß- und Mittelstädten und dem System der Zentren der suburbanen und der ländlichen Räume. Bisher ist allerdings zu beobachten, dass die Vorteile dieser Raum- und Siedlungsstruktur für eine nachhaltige Mobilität nicht im wünschbaren Ausmaß genutzt werden." (S 7f)

Daraus folgend wird u.a. gefordert, die vorhandenen Raumstrukturen weiter zu entwickeln, vor allem "unter den Anforderungen

  • der Sicherung der Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten der Menschen in allen Teilräumen durch differenzierte Ausstattung und Erreichbarkeit,
  • der Sicherung der Umwelt-, Umfeld- und Standortqualitäten in allen Teilräumen,
  • der Förderung postfossiler Raum- und Mobilitätsstrukturen,
  • der Vermeidung von Verkehr,
  • der Verlagerung auf Verkehrsmittel, die einen geringen Einsatz fossiler Energieträger voraussetzen,
  • der Förderung effizienter und energiesparender Verkehrsverhaltensweisen." (S. 10)

Als Schlussfolgerung heißt es: "Abschließend sei noch einmal unterstrichen, dass die hier skizzierten Folgerungen für die Ziele und Instrumente der Raum- und Verkehrsplanung auf groß- und kleinräumiger Ebene nur erfolgreich in Raumordnungs-, Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik umgesetzt werden können, wenn sie in einer integrierten, ganzheitlichen Entwicklungspolitik aufeinander abgestimmt und in ihrer Finanzierung gesichert werden können. Mit den heute bevorzugten und akzeptierten politischen Instrumenten – einschließlich der im Rahmen der gegebenen politischen Verhältnisse denkbaren neuen und verbesserten Instrumente – sind jedoch die Energiewende und die Klimaschutzziele der Bundesregierung im Verkehr nicht oder nur zum Teil erreichen." (S. 14)

Zu den Autoren gehören u.a. Prof. Udo Becker (TU Berlin), Prof. Klaus Beckmann (DIFU Berlin) und Gerd Würdemann.