Schwarzfahren ist keine Straftat!
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- 8 März 2017
- von Dominik Fette
Heute wurde im Verkehrsausschuss der Antrag der Linksfraktion beraten: „Entkriminalisieren des Fahrens ohne Fahrschein – Polizei und Justiz entlasten“ (Drs. 18/7374). Zusätzlich zum „erhöhten Beförderungsentgelt“ noch Geld- oder sogar Freiheitsstrafe: Das ist völlig unverhältnismäßig, kriminalisiert meistens unbescholtene Menschen und verursacht hohe Kosten für die Allgemeinheit. Die Große Koalition will offensichtlich aber weiter daran festhalten und hat den Antrag abgelehnt; die Grünen stimmten zu.
Falschparken, das nur zu oft andere behindert oder sogar gefährdet, wird mit meist nur 10-30 Euro Bußgeld geahndet. Wiederholungstätern droht kein erhöhte Strafe. Das sogenannte Schwarzfahren zieht hingegen 60,- erhöhtes Beförderungsentgelt und zusätzlich im Wiederholungsfall ein Verfahren nach Strafgesetzbuch nach sich. Diese Strafe ist für die Betroffenen völlig unverhältnismäßig, hat keine nennenswerte abschreckende Wirkung, sondern führt im Gegenteil zu gesellschaftlich nicht sinnvollen Effekten:
- Überlastung der Justiz, hohe öffentliche Kosten bei Polizei, Gerichten und JVAs; mit bis zu einem Drittel aller Strafprozesse füllen Verhandlungen wegen „Schwarzfahrens“ in manchen Regionen die Strafgerichte – und ebenso hoch ist der Anteil von Menschen vor allem in Großstadtgefängnissen. Entsprechend forderten Jugendrichter und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schon 2014, Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit zu erklären, um Polizei und Justiz zu entlasten.
- Kriminalisierung von Menschen, denen in keinster Weise "kriminelle Energie" unterstellt werden kann. Die unverhältnismäßige Strafe mit Eintragung ins Strafregister und die damit verbundene Stigmatisierung führen nicht zu "Einsicht", sondern eher zur Ablehnung des Rechtsstaates.
Da es durch das Schwarzfahren zu keinen persönlichen oder gesellschaftlichen Schäden kommt, steht dies im Widerspruch zur gebotenen Zurückhaltung des Gesetzgebers beim Einsatz des Strafrechts (Ultima-Ration-Funktion). Ein Ausgleich für die Schäden, die den Verkehrsbetrieben durch das Schwarzfahren entstehen sowie die Sanktionierung dieses Verhaltens kann allein den Verkehrsbetrieben selbst überlassen werden, in dem diese ein "erhöhtes Beförderungsentgelt" erheben. Die derzeitige Praxis von "erhöhtem Beförderungsentgelt" von zur Zeit 60,- Euro und zusätzlicher Ahndung nach StGB ist zudem eine unzulässige Doppelbestrafung.
Die "Beförderungserschleichung" nach § 265a StGB ist völlig unverhältnismäßig und mit dem erhöhten Beförderungsentgelt eine Doppelbestrafung. Die Anwendung des Strafrechts widerspricht den aktuellen gesellschaftlichen Erfordernissen unserer Zeit und muss gestrichen werden.
Beim "erhöhten Beförderungsentgelt" muss ebenfalls geprüft werden, wie die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden kann; wir plädieren für eine Absenkung und Differenzierung nach Tarifgebiet (z.B. die Hälfte der Kosten einer Monatskarte oder das Zehnfache eines Einzelfahrscheins).
Um Menschen von Mobilität auszuschließen oder sie in Versuchung zu führen, schwarz zu fahren, sollten flächendeckend Sozialtickets eingeführt werden. Dafür sollte sich die Bundesregierung zusammen mit den Bundesländern einsetzen.
Mit dem Titel >"Schwarzfahrer" sind Straftäter - das muss geändert werden< erschien gerade eine Artikel in der März-Ausgabe der Zeitschrift "Signal". Darin wird auch Bezug genommen auf die rot-rot-grüne Koalition in Berlin, die den Straftatbestand der Beförderungserschleichung abschaffen will.