Zur aktuellen Rolle der Binnenschifffahrt
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- 5 Juli 2012
Offiziell gibt es zwar einen großen Konsens, Verkehre „from Road to Sea“ zu verlagern, doch praktisch werden nicht die notwendigen Schritte unternommen, um die Wasserstraße nachhaltig zu stärken und die Beförderungsleistung zu erhöhen. Mit dem Binnenschiff werden immer noch lediglich 55 Mrd. Tonnenkilometer (tkm) zurückgelegt, während es auf der Schiene 113 tkm und auf der Straße 460 Mrd. tkm sind. Dieses Verhältnis müssen wir umkehren!
Da in den nächsten 8 Jahren auch der CO² Ausstoß um 40% gegenüber 1990 gesenkt werden soll, wird sich der Güterverkehr insgesamt wandeln müssen und ökologischer werden. Auch hier spielt die Wasserstraße als einer der ökologischsten Verkehrsträger eine entscheidende Rolle. Über die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich durch Straßenlärm belästigt, ein Drittel durch Fluglärm und ein Fünftel durch Zuglärm, aber durch Binnenschifffahrtslärm fühlt sich niemand belästigt, denn sie macht keinen Lärm. Dies ist auch ein entscheidender Faktor bei der Akzeptanz von Güterverkehren in der Bevölkerung.
Doch trotz all dieser Potentiale werden nicht einmal ausreichend Finanzmittel zum Unterhalt des Wasserstraßennetzes zur Verfügung gestellt. Der Verkehrsminister selbst gesteht hier eine jährlichen Unterfinanzierung von 500 Mio. € pro Jahr ein, doch die Einnahmen der LKW-Maut – die bislang immerhin zur Hälfte in die Infrastruktur von Schiene und Wasserstraßen flossen, sollen trotzdem vollständig in die Straßen fließen.
Anstatt das System Wasserstraße und eine ökologische Verkehrsverlagerung also systematisch weiter zu fördern, findet das Gegenteil statt. Dies wird auch an den katastrophalen Reformplänen der Bundesregierung zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) deutlich. Trotz flächendeckender Forderungen der Betroffenen, aller Fachverbände, der Bundesländer und einer großen Öffentlichkeit, hält das BMVBS an der Kategorisierung der Wasserstraßen nach ihrer Transportfunktion fest. Dabei stellt sich überhaupt nicht die Frage nach zusätzlichen Ausbauinvestitionen in einem Hauptnetz im Gegensatz zu vermeintlich schwach frequentierten Wasserstraßen, sondern es geht um den Bestanderhalt des gesamten Netzes. Für mehr stehen sowieso kaum Mittel bereit.
Die WSV selbst soll zentralisiert werden und ab Frühling 2013 eine neue Zentrale in Bonn geschaffen werden, während die bisherigen Direktionen lediglich zu Außenstellen degradiert werden. Auch die Ämter und Außenbereiche sollen reduziert und grundlegend umgestaltet werden. Doch es nicht sinnvoll, den dezentralen Wasser- und Schifffahrtdirektionen und den Ämtern die Steuerung wegzunehmen. Niemand kennt die Gewässer besser, als die Menschen, die damit täglich zu tun haben.
Es ist auch nicht sinnvoll, die Aufgaben zu privatisieren und am Markt wieder teuer einzukaufen. DIE LINKE. hat hierzu auch einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir brauchen diesen Sachverstand vor Ort, wenn sie weiter (Binnen-)schifffahrt möglich machen soll und besonders, wenn sich die WSV künftig noch stärker um Flussökologie und die Umsetzung europäischer Vorgaben kümmern soll, um einen guten ökologischen Gewässerzustand zu erreichen.
Doch wir brauchen auch eine flussangepasste Weiterentwicklung der Binnenschifffahrt. Die Binnenschifffahrts-flotte ist auch stark überaltert und muss ökologischer werden, dafür sind wir gerne bereit, alle Initiativen zu Förderprogramme ökologischerer Schiffsantriebe und innovativer, flussangepasster Schiffstypen zu unterstützen.
Wir glauben als Linke, dass eine zukunftsweisende Binnenschifffahrt nicht im Widerspruch zu ökologischen Interessen steht und auch nicht stehen darf, sondern auch allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen der Sport- und Freizeitschifffahrt, der Naherholung, der Ressourcensicherung, des Hochwasserschutzes und des Naturschutzs an Flusslandschaften gerecht werden kann und muss. Dafür ist eine sozial- ökologische Wende in der Verkehrspolitik nötig.