Keine neuen Steuermilliarden für die Autokonzerne!

Am 1. Oktober fand im Bundeskanzleramt mal wieder ein Autogipfel statt. Zum letzten Autogipfel lud Kanzlerin Merkel 2009 ein, auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise. Damals mündete es in der Abwrackprämie, die die deutschen Steuerzahler fünf Milliarden Euro kostete, mit der teure Überkapazitäten  weiter  ausgebaut wurden und mit der in Deutschland die Abhängigkeit vom Auto erhöht wurde. Der heutige Autogipfel findet inmitten einer neuen Branchenkrise der westeuropäischen Autokrise statt, die 2013 auch die deutsche Autoindustrie zu erfassen droht.

Nun forderten Martin Winterkorn von VW, Dieter Zetsche von Daimler und Norbert Reithofer von BMW im Bundeskanzleramt neue Subventionen in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro. Insbesondere sollen Elektro-Pkw, für die  bereits eine Milliarde Euro an Steuergelder flossen, noch stärker bezuschusst werden.  Offiziell ließ Kanzlerin Merkel mitteilen, dass es keine zusätzlichen Millionen Euro für die sog. Elektro-Mobilität geben würde. Sie hält jedoch an dem absurden Ziel von einer Million Elektro-Pkw bis 2020 fest.

Eine nennenswerte Nachfrage nach Elektroautos lässt sich wohl nur durch Subventionsmilliarden erzeugen. Der ehemals weltweit führende Hersteller von Elektro-Pkw BYD (China) und der weltweit größte Pkw-Hersteller Toyota (Japan) haben die Entwicklung von Elektro-Pkw bereits eingestellt. Ganz offensichtlich geht es hier darum zu zeigen, dass man den Klimawandel verhindern will, aber nichts am Verkehrssystem und seinen Profiteuren ändern will. Klimaschutz mit Elektroautos ist aber eine Illusion.

Es ist daher absurd, dass die Bundesregierung erklärt, kein Geld für elementare soziale Aufgaben wie die Bereitstellung einer ausreichend großen Zahl von Kita-Plätzen oder für ein Programm gegen die Altersarmut zu haben, wenn sie gleichzeitig die bisher höchst profitablen Autokonzerne weiterhin mit Steuergeldern unterstützt.

Es ist auch absurd, dass die seit mehr als 100 Jahren bestehende Elektromobilität – diejenige mit Eisenbahn, Tram, S- und U-Bahn nicht wirkungsvoll unterstützt wird. Hier, am öffentlichen Verkehr hängen übrigens mehr und zukunftsfähigere Arbeitsplätze als an der Autoindustrie.

Und es ist absurd, dass einfache Maßnahmen für Klimaschutz und mehr Sicherheit nicht ergriffen werden. Ein Beispiel wäre ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, eine Maßnahme, die in allen anderen Ländern Europas Gültigkeit hat und pro Jahr mindestens 100 Verkehrstote verhindern könnte.

Es zeigt sich mal wieder: Die Verkehrs- und Industriepolitik der Bundesregierung bedient die Interessen der Konzerne und nicht die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und derer, die am derzeitigen Verkehr zu leiden haben.

Siehe auch die Artikel: Elektro-Auto-Mobilität. Oder: Die Reformlüge der Autoindustrie.
und zum Regierungsprogramms Elektromobilität und der Nationalen Plattform Elektromobilität
sowie die 8 Thesen unten.


 

Thesen zu Autoindustrie, zum Autoverkehr und zum Autogipfel

Am 2.Oktober 2012 von Sabine Leidig, MdB; Redaktion: Winfried Wolf

1
Autogipfel kamen die deutschen Steuerzahler bisher teuer zu stehen. Die Abwrackprämie der Jahre 2009/2010 kostete rund 5 Milliarden Euro Steuergelder. Es handelte sich um eine  Maßnahme, die massiv gegen das Prinzip der Nachhaltigkeit verstieß: Viele hunderttausend Pkw in gutem Zustand wurden zerstört, um den Neukauf von Pkw zu stimulieren. Damit wurde mitten in der Krise ein Industriesektor gestärkt, der in erheblichem Maß zur allgemeinen ökologischen Krise beiträgt.  Der Nutzen erweist sich als beschränkt: zwei Jahre später stehen wir vor der neuen Branchenkrise.
 
2
Seit Ende der 1990er Jahr steigt in Deutschland die Zahl der mit Pkw zurückgelegten Kilometer nicht mehr. Doch  die Zahl der zugelassenen Pkw wächst kontinuierlich – pro Jahr um rund 200.000 oder seit Ende der 1990er Jahre um weitere zwei Millionen. Mehr Pkw bei gleichzeitig gleichbleibendem und teilweise rückläufigen Kilometern, die mit Pkw zurückgelegt werden, sind ein schlagender Beweis für die Ineffizienz dieser Verkehrsart.
 
3
Die Endlichkeit von Öl ist eine Tatsache. Peak Oil – das Maximum der weltweiten Ölförderung – wird derzeit nur deshalb immer wieder hinausgeschoben, weil der fatale Durst nach Öl und Gas und die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von den Ölkonzernen dazu führen, dass immer riskantere Formen der Öl- und Gasförderung praktiziert werden: siehe das Öldesaster im Golf von Mexiko vor zwei Jahre, siehe die inzwischen konkreten Projekte zur massiven Ölförderung in der Arktis-Region; siehe die extrem riskante Förderform „Gas-Fracking“.
 
4
Derzeit werden im Straßenverkehr und im Luftverkehr die Kapazitäten gebaut und die Modelle entwickelt, um bis 2025 weltweit die Pkw-Flotte und den Luftverkehr nochmals zu verdoppeln. Dabei spielen die deutschen Autokonzerne und der deutsch-französische Flugzeugbauer EADS-Airbus eine maßgebliche Rolle. Eine Verdopplung des Straßen und Luftverkehrs muss jedoch die Treibhaushase massiv steigern und die Klimaveränderung ein weiteres Mal beschleunigen.
 
5
VW hat vor wenigen Tagen den Golf der siebten Generation vorgestellt. Dieser Golf VII wiegt mit 1100kg 60 Prozent mehr als der Golf I aus dem Jahr 1974 (750 kg). Er hat mit durchschnittlich 120 PS fast doppelt so viel Pferdestärken wie das Ur-Golf-Modell. Der Kraftstoffverbrauch ist zwar gesunken (von rund 6,4l auf 4,9l/100km), wenn man die Klimaanlage einschaltet, sieht es schon wieder anders aus. Entscheidend aber ist, dass die technisch erzielte Effizienzsteigerung zum übergroßen Teil durch das gestiegene Gewicht des Fahrzeugs aufgefressen wurde. Hätte man auch beim Gewicht und anderem Firlefanz gespart, wäre problemlos ein 3-Liter-Auto herausgekommen. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Auslastung je Pkw auf 1,2 Personen gesunken ist, womit der Verbrauch pro beförderte Person auch angestiegen ist.
So wie die Stadt mit der höchsten Highwaydichte, Los Angeles,  die Stadt mit der besonders niedrigen Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 20 km/h ist, so demonstriert der führende deutsche Autokonzern, die Volkswagen AG, mit ihrem Brot-und-Butter-Modell die Rückschrittlichkeit der Transportform motorisierter Straßenverkehr.
 
6
Bei jeder neuen Branchenkrise der Autoindustrie präsentiert die Autolobby eine angeblich wirkungsvolle immanente Reform des Straßenverkehrs: Mal sollten es Kleinwagen statt Spritschlucker sein, mal das Brennstoffzellen-Auto und aktuell des Elektro-Auto. Tatsächlich fressen die Autos heute deutlich mehr Kraftstoff als vor einem halben Jahrhundert. Tatsächlich gibt es das Brennstoffzellen-Auto, von dem seit einem Vierteljahrhundert die Rede ist, weiterhin nicht. Und das Elektroauto erweist sich zunehmend als platter, aber für die Steuerzahlenden extrem teurer Hype: Beim Autogipfel am 1. Oktober 2012 drängten die Autokonzern darauf, dass die Befreiung von der Kfz-Steuer bei Elektroautos auf zehn Jahre ausgeweitet wird, dass ein öffentliches Programm zur Beschaffung von Elektro-Pkw beschlossen wird, dass es einen Nachlass bei der Dienstwagenbesteuerung von Elektroautos gibt, dass Sonderreglungen bei der Abschreibung der Anschaffungskosten von Elektroautos beschlossen, dass zinsgünstige Kredite der KfW-Bank beim Kauf von E-Cars ausgereicht und dass ein „Anreiz von 150 Euro je Kilowattstunde der in den Elektro-Pkw verwendeten Batterien“ gewährt werden.  Offiziell hieß es, dass es keine zusätzlichen Steuergelder für E-Pkw geben würde. Da aber gleichzeitig am Ziel „1 Million Elektro-Pkw bis 2020“ festgehalten wird,  werden noch weitere hunderte Millionen Euro an Steuermitteln für dieses absurde und unrealistische Ziel verschwendet werden.
 
7
Die harten Fakten lauten: Mitte 2012 gab es in Deutschland gerade mal 4.521 für den Straßenverkehr zugelassene Elektro-Pkw. In China, wo die Regierung rund 15.000 Euro demjenigen zahlt, der ein Elektroauto kauft, waren Mitte 2011 erst 6.700 Elektro-Autos zugelassen.
Die reale (Nicht-)Entwicklung der sogenannten „Elektro-Mobilität“ (Mobilität mit Elektro-Pkw) bestätigt die Position der LINKEN, die als einzige Partei von vornherein klarstellte, dass Elektro-Pkw keine Zukunft haben.
Fatal ist: Während die Bundesregierung die wichtige und richtige Förderung von Solar- und Windenergie kappt, wird die absurde Förderung der Autokonzerne im allgemeinen und der elektro-Pkw-Mobilität im besonderen fortgesetzt und womöglich gesteigert.
 
8
Die Grunddaten des Systemvergleichs Straße-Schiene lauten: Der Straßenverkehr benötigt für die gleiche Leistung die doppelte Fläche wie der Schienenverkehr. Er basiert immer auf dem unökonomischen Prinzip, dass der Beförderte in der Regel der eigene Fahrer ist (Auslastung, wie erwähnt 1,2 bis 1,4 Personen).  Der Energieaufwand – und beim konventionellen Pkw-Verkehr der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen – liegt bei dem Fünf- bis Zehnfachen desjenigen im schienengebundenen Verkehr.  Die Zahl der durch diese Verkehrsart Getöteten und schwer Verletzten liegt beim Zehn- bis Fünfzigfachen des Schienenverkehrs.
Übrigens: Seit dem 2. Halbjahr 2011 steigt die Zahl der im deutschen Straßenverkehr Getöteten wieder an; dies setzte sich im ersten Halbjahr 2012 fort.