Keine PKW Maut für alle - Wir brauchen eine Ausweitung der LKW-Maut!
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- 13 Juni 2013
Rede von Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin, am 13.6.2013 im Bundestag [Rede als Video]:
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wurde gerade gefragt, ob ich das Niveau meiner Rede an das Niveau der Rede von Herrn Dobrindt anpassen kann.
(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Das schaffen Sie nicht! Geben Sie sich keine Mühe!)
Das ist mir leider nicht möglich, weil Herr Seehofer und Herr Dobrindt offenbar auf allerunterstem Stammtischniveau punkten wollen
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
und einmal wieder die Ausländerkarte ziehen, dieses Mal beim Thema Pkw-Maut. Das ist wirklich unglaublich.
Angeblich nutzen unsere Nachbarn die Deutschen aus. Diese Behauptung ist nicht nur schäbig, sie ist auch falsch. Auch wenn es in den Ferien manchmal anders aussieht: Tatsächlich machen ausländische Autos darauf wurde bereits hingewiesen auf deutschen Autobahnen im Jahr ungefähr 5 Prozent des gesamten Pkw-Verkehrs aus. Und sie tanken in Deutschland. Dadurch sind die Einnahmen aus der Mineralölsteuer ungefähr doppelt so hoch wie die Infrastrukturkosten, die die ausländischen Autofahrerinnen und Autofahrer verursachen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!)
Das sind Zahlen vom ADAC, die Sie natürlich auch kennen, aber Sie wollen hier eine ausländerfeindliche Nummer abziehen. Das ist wirklich eine Sauerei.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Wenn Ihnen nichts anderes einfällt!
Im Bereich Lkw sieht es völlig anders aus. Ich finde es ausgesprochen spannend, dass Sie dieses Thema nicht ansprechen. Tatsächlich kommen 30 Prozent der Lkws, die auf unseren Autobahnen fahren, aus dem Ausland, darunter viele von Tochterfirmen deutscher Konzerne.
(Patrick Döring (FDP): Zahlen aber alle Maut!)
Sie tanken sehr selten bei uns. Fakt ist auch, dass ein 40-Tonner die Straße so stark belastet wie 160 000 Pkw.
(Patrick Döring (FDP): Die zahlen doch Maut!)
Warum gehen sie hier nicht heran? Darauf müssen wir noch einmal zurückkommen, das werde ich auch gleich tun.
Herr Ramsauer will die Pkw-Maut für alle, damit es endlich mehr Geld für den Straßenbau gibt. Herr Pronold, ich finde es echt schade, dass auch Sie es klasse finden, dass man mehr Geld für den Straßenbau bekommt. Was Herr Ramsauer macht, ist schäbig und falsch. Erstens. Die Autofahrerinnen und Autofahrer bezahlen über Kfz-, Mineralöl- und anteilige Mehrwertsteuer jeden Euro, den inländische Pkw an Wegekosten verursachen, mehrfach, konkret: vierfach.
Zweitens. Würde die Pkw-Maut über eine Vignette erhoben werden das ist eine Variante , wäre das ungerecht, ökologisch unsinnig und unsozial, weil alle in eine Topf geworfen werden: diejenigen, die viel fahren und diejenigen, die wenig fahren, diejenigen, die große Autos fahren, und diejenigen, die ganz kleine, sparsame Autos fahren. So etwas kann nicht in Ordnung sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die zweite Variante wäre, 40 Millionen deutsche Pkw mit Erfassungsgeräten auszustatten. Das wäre für ein paar Elektronikhersteller natürlich ein Riesengeschäft. Aber nicht nur wir, sondern auch die meisten Datenschützerinnen und Datenschützer lehnen diesen Überwachungsapparat ab. Auch das kann nicht wirklich Ihr Ernst sein.
Apropos Geschäft: Das ist der Kern, worum es Herrn Ramsauer eigentlich geht. Er will den Straßenbau privatisieren das sagt er ja auch , weil - auch das sagt er - das Geld im Verkehrsetat nicht reicht. Aber die großen Baukonzernen lassen sich auf so etwas, wie eine Autobahn zu bewirtschaften, nur ein, wenn ordentlicher Gewinn dabei herausspringt. Der sprudelt am besten, wenn alle Autofahrerinnen und Autofahrer zur Kasse gebeten werden. Darum geht es Ihnen in Ihrem Modell: Sie wollen den großen Bauunternehmen Geschäfte zuschustern, und die kleinen Leute sollen es zahlen. Dazu ein klares Nein von unserer Seite.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir brauchen eine Ausweitung der Lkw-Maut. Es muss Schluss sein mit der Begünstigung von Unternehmen, die Waren auf Teufel komm raus durch ganz Europa karren, auch wenn es überhaupt nicht nötig ist, weil zum Beispiel Milch oder Autoteile in der Region hergestellt werden und dort verbraucht werden könnten.
Der Güterverkehr muss endlich die Kosten tragen, die diese enorme Zahl von Lastwagen verursacht. Die Kommission zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, die die Bundesregierung selber eingesetzt hat, hat jetzt die Vorschläge durchgerechnet, die wir Linke schon vor zwei Jahren als Antrag in den Bundestag eingebracht haben: Lkw-Maut auf allen Straßen und bereits für Lastwagen ab 3,5 Tonnen. Dann kommen jedes Jahr zusätzlich 4,4 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen. Mit diesem Geld könnten die Kommunen, die Länder und der Bund die dringend benötigten Renovierungen von Brücken und Straßen bezahlen. Noch wichtiger: Mit diesem Geld kann man den Einstieg in die Verkehrswende finanzieren. Die ist nämlich nötig: mehr Bahn, mehr Bus, grünere Städte und weniger Verkehr.
(Gustav Herzog (SPD): Ein Bus braucht auch eine Straße!)
Wir sind nicht der Meinung, dass mehr Beton die Lebensqualität der Menschen hierzulande verbessert. Für mehr Gerechtigkeit, auch für mehr Umweltgerechtigkeit, müssten Verkehrsverhältnisse geschaffen werden, die es möglichst vielen leicht machen, auf das eigene Auto zu verzichten. Dazu braucht es umweltverträgliche und preisgünstige Alternativen.
Die Abzocke von Autofahrern, ob sie in Deutschland wohnen oder nicht, ist jedenfalls der falsche Weg, und die Pkw-Mautdebatte ist nichts anderes als ein böser Spuk, mit dem die Wählerinnen und Wähler hoffentlich im September Schluss machen.