Für die Bundesregierung ist die Autoindustrie unantastbar
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- 26 Februar 2016
- von Dominik Fette
Wenn’s um die Autoindustrie geht, werden ganz offensichtlich die Umweltministerin sowie der Gesundheitsminister von Kanzlerin und Vizekanzler ausgebremst, während der Verkehrsminister ungestört seine Verschleierungstaktik fahren kann. 10.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland aufgrund der Stickoxide aus dem Straßenverkehr – und Dobrindt erwähnt in seiner Rede bei der aktuellen Stunde am 18.2. die Gesundheits- und Umweltproblematik mit keinem Wort. Durch seine offensichtliche Nähe zur Autoindustrie und sein Handeln in der Abgasaffäre erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass mit seiner Untersuchungskommission vor allem erreicht werden soll, dass die deutsche Autoindustrie vor weiteren Skandalen geschützt bleibt. Um Aufklärung geht es jedenfalls nicht. Denn mit der Deutschen Umwelthilfe, die inzwischen viele Modelle auch anderer Hersteller untersuchen ließ und auf dem Gebiet eine unbestrittenen Kompetenz hat, traf sich die Untersuchungskommission kein einziges mal. Umweltministerin Hendriks, die sich dafür einsetzen könnte, dass die Abgaswerte unabhängiger vom Umweltbundesamt (UBA) überprüft werden müssten, hält sich raus. Und auch Gesundheitsminister Gröhe schweigt dazu, dass Millionen von Menschen vorsätzlich mit zusätzlichen, gesundheitsschädlichen Stickoxiden belastet werden.
Die Nähe von Dobrindt zur Autoindustrie wird deutlich, wenn er auf dem Neujahrsempfang des VDA in seiner Rede kein Wort zum Abgasskandal sagt, stattdessen aber: „Unser Wohlstand von heute ist ohne das Auto nicht denkbar. Und unser Wohlstand von morgen wird ohne das Auto nicht möglich sein.“ (siehe die Frontal21-Doku „Die Abgaslüge“, Minute 42:17). Dieser „Wohlstand durch Auto“ hat mit Lebensqualität nichts zu tun, es ist nur der Profit von wenigen.
Stand des Rückrufs bei VW: das erste Modell (Amorak, 2,0 l) muss jetzt in die Werkstatt. Was dort im Detail mit den Autos gemacht wird? Unbekannt. Zur Überprüfung, ob das Auto nach der Umrüstung den gesetzlichen Vorschriften entspricht, musste VW die Typprüfung durchlaufen lassen, also genau das Überprüfungsprozedere, das diese Fahrzeugtypen alle schon bei der Zulassung dank der Software-Manipulationen erfolgreich durchlaufen haben. Eine Überprüfung der Software ist dabei nicht vorgesehen, obwohl die Bundesregierung eingesteht, dass Behörden durchaus die Offenlegung der Motorsoftware verlangen könnten (siehe Auswertung einer Kleinen Anfrage dazu unten). Allein: Man will wohl gar nicht genau wissen, ob weiter getrickst wird. Hauptsache, die Affäre ist bald überstanden.
Der Antrag der Linksfraktion vom Oktober 2015 „Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen“ (Drs. 18/6325) ist damit noch immer aktuell, von unseren Forderungen darin wurde fast nichts beachtet.
Kolumne von Sabine Leidig:
„Die Luft ist für niemanden sauberer geworden“
In 29 Regionen in Deutschland drohen Strafzahlungen, weil die gesundheitsschädliche Stickoxidbelastung auf den Straßen dauerhaft viel zu hoch ist. Die Weltgesundheitsorganisation fordert darüber hinaus, dass diese Grenzwerte halbiert werden. Allein in Deutschland sterben (laut Europäischer Umweltagentur) etwa 10.000 Menschen vorzeitig, aufgrund der Stickoxide aus dem Straßenverkehr. >> weiterlesen
Rede von Herbert Behrens, DIE LINKE bei der aktuellen Stunde am 18.2.:
„VW Skandal: Profit geht vor Gesundheit. Das ist eine perverse Logik.“
Kurzgefasst: DIE LINKE fordert eine von der Automobilindustrie unabhängige Kommission. Die Mitglieder sollen von den Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, dem Verkehrsclub Deutschland und den Automobilklubs benannt werden. Die Dobrindt-Kommission ist aufzulösen. Möglicherweise vorhandene Zwischenergebnisse sind der neuen Kommission zu übergeben. Das Umweltbundesamt wird beauftragt, eine repräsentative und der realen Fahrpraxis gerecht werdende Untersuchung aller Diesel-Pkw in Deutschland vorzunehmen. Die Ergebnisse werden öffentlich gemacht. Um die Beschäftigten des VW-Konzerns, die für den Betrug nicht verantwortlich sind, vor dessen Folgen zu schützen, muss sie Bundesregierung die rechtlichen Mittel ausschöpfen, die Verursacher und Profiteure der Manipulation haftbar zu machen. (> ganze Rede als Text)
Frontal21-Dokumentation „Die Abgaslüge“
Anschaulich wird hier dargestellt, welchen Einfluss die überhöhten Emissionen der Autos auf die Gesundheit der Menschen haben, und dass VW bei den Manipulationen kein Einzelfall zu sein scheint (Beweise fehlen bisher, weil die Software nicht überprüft wird, die Abgaswerte außerhalb des Testzyklus auf der Rolle sprechen aber Bände). Zudem wird gezeigt, wie eng Autoindustrie und Politik verstrickt sind – in Berlin und auch in Brüssel. So wird auch das Lobbygeflecht der Autoindustrie in Brüssel gezeigt (ca. bei Minute 40:00): 313 Autolobbyisten arbeiten hier mit einem offiziellem Budget von 12,8 Millionen Euro (nach Recherche von Corperate Europe Observatory, siehe z.B. auch deren neuen Bericht „Scandal-hit car industry in the driving seat for new emissions regulations“). Zum Lobbyeinfluss der Autoindustrie in Deutschland siehe die Auswertungen unserer Kleinen Anfragen zum Thema.
Lunapark21: AutoWelt. AbgasLüge. VolksWagenImperium.
Das Heft Winter 2015/16 widmet sich ganz dem Thema Abgasskandal
>> Übersicht, Probelesen und Bestellmöglichkeit
Kleine Anfragen zum Abgasskandal
VW-Skandal - Anforderungen an die Umrüstung der betroffenen Diesel-Pkw
08.02.2016 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/7469
Während die so genannte Untersuchungskommission des Verkehrsministers weiter im stillen Kämmerlein arbeitet und fast nichts nach draußen dringt, wurde nun immerhin bekannt, dass VW bald mit der Umrüstung der ersten Fahrzeuge beginnen darf. Völlig unklar ist allerdings, ob dies auch damit verbunden ist, dass der Schadstoffausstoß im realen Fahrbetrieb niedriger ist. Und wenn ja, um wie viel. Und führt das dazu, dass der Dieselverbrauch steigt?
Kleine Anfrage herunterladen (Kurzauswertung unten, Antwort als Drs. erscheint demnächst)
Kraftfahrzeugsteuer und Manipulationen von Abgaswerten im Volkswagen-Konzern
08.12.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/6923
Die Bundesregierung mauert bisher mit Informationen, ob und wie sich der VW-Abgasskandal auf die Bemessung der Kfz-Steuer bei den betroffenen Fahrzeugen auswirkt. Deren Halterinnen und Halter sind nicht nur von höheren Steuerzahlungen in der Zukunft, sondern auch von Steuernachzahlungen bedroht. DIE LINKE fragt darüber hinaus nach, inwieweit der VW-Konzern für höhere Steuerzahlungen in Anspruch genommen werden kann.
Antwort als Drucksache Nr. 18/7126 als PDF herunterladen
VW-Skandal – Erklärung der Abweichungen bei Messergebnissen
30.11.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/6791
"Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen", war das Motto der Regierung bei Manipulationen von Autoherstellern bei den Angaben zum Schadstoffausstoß. Spätestens seit 2007 lagen Hinweise von Verbänden darauf vor. Die hat die Bundesregierung aber nie untersucht - und behauptet deshalb nun weiter, dass sie bis zum VW-Skandal keine Erkenntnisse über die illegale Nutzung von „Abschalteinrichtungen" hatte. Danach wurde hektisch reagiert und jetzt wird endlich realistischer getestet. Oder doch nicht?
Antwort als Drucksache Nr. 18/7174 als PDF herunterladen
Rolle und Kontrolle der Wirtschaftsprüfer im VW-Skandal
03.11.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/6510
Die Wirtschaftsprüfergesellschaft PwC hat 2014 VW uneingeschränkt den Jahresabschluss und Lagebericht testiert. Im Zuge des Skandals stellt sich die Frage nach der Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, berufsständischen Organisation und Aufsicht sowie der Rechtsaufsicht durch die Bundesministerien. Der VW-Skandal ist ein weiteres Beipiel für die zu enge Verbindung zwischen Politik, großen Unternehmen und Wirtschaftsprüfern. Eine unabhängige Aufsicht und Kontrolle wird so fast unmöglich.
Antwort als Drucksache Nr. 18/6779 als PDF herunterladen
Kleine Anfragen zum Einfluss der Autoindustrie auf die Bundesregierung
Verkehrs- und Baupolitik der Bundesregierung im Einfluss verschiedener Interessengruppen
08.06.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/5045
Antwort als Drucksache Nr. 18/5571 als PDF herunterladen
27.08.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/5848 (Nachfrage zu 18/5571 - Kontakten zu verschiedenen Verbände)
Antwort als Drucksache Nr. 18/5990 als PDF herunterladen
Gefragt wird - wie bereits in einer Kleinen Anfrage 2013 - nach den Kontakten der Bundesregierung zur Automobil-, Luftfahrt- und Bauindustrie sowie vergleichsweise auch zu Gewerkschaften, Umwelt- und Fahrgastverbänden. Dies ermöglicht einen Einblick, welche Interessengruppen den Haupteinfluss auf die Verkehrs- und Baupolitik der Bundesregierung haben. Die Antworten können mit den Parteispenden verglichen werden, die in den letzten Jahren an die Regierungsparteien geflossen sind.
auch interessant in diesem Zusammenhang:
Studien und Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur in der 18. Wahlperiode
23.10.2015 – KLEINE ANFRAGE – Drucksache Nr. 18/6434
Studien und Forschungsvorhaben dienen als externe Expertisen immer wieder dazu, der Bundesregierung und den ihr unterstellten Ressorts, neben dem Erkenntnisgewinn Handlungsoptionen bezüglich gesellschaftlicher Problemlagen zu prüfen bzw. zu entwickeln. Für diese zahlreichen externen Expertisen werden Haushaltsmittel in nicht geringem Umfang aufgewendet. Vor diesem Hintergrund ist es von öffentlichem Interesse, welche Studien zu welchen Kosten in Auftrag gegeben wurden und welche davon veröffentlicht wurden bzw. werden sollen.
Antwort als Drucksache Nr. 18/6831 als PDF herunterladen
Kurze erste Auswertung der Antwort des BMVI auf die Kleine Anfrage LINKE VW-Skandal II (Drucksache der Anfrage 18/7469) vom 23. Februar 2016
Sogar wenn VW bewusst die Unwahrheit sagt, interessiert das die Bundesregierung nicht (Frage 1).
Dass die Kunden von VW in den USA von VW jede/r 1.000 Dollar Entschädigung erhalten sollen, die in Deutschland aber nichts, interessiert die Bundesregierung (doch) nicht, den Aussagen von Heiko Maas zum Trotz (Frage 16).
Minister Dobrindt kündigt zwar in der Presse scheibchenweise (angeblich) neue Maßnahmen in der Zukunft an, wohl um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, aber sie können oder wollen nicht beantworten, wann und wie diese Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Da wird auf den Abschlussbericht der Untersuchungskommission verwiesen, der „abzuwarten ist“ (Frage 25). Aber wann der vorliegt, sagen sie weiterhin nicht, nicht einmal, ob dieser noch im 1. Halbjahr 2016 vorliegt (Frage 24). Dafür wird immerhin zugesichert, dass in diesem Bericht auch die bei der noch laufenden Nachprüfung von ca. 60 Fahrzeugen gemessenen Abgaswerte enthalten sein werden (Frage 25).
Die von VW „umgerüsteten“ Fahrzeuge müssen nur beweisen, dass sie die Emissionsgrenzwerte auf dem Rollprüfstand einhalten (Fragen 8 und 9). Das haben sie aber auch schon vorher! Ob auch weitere Test außerhalb der offiziellen Testbedingungen durchgeführt wurden, bleibt etwas unklar (Frage 10). Gänzlich unbeantwortet jedenfalls wurden die Fragen, was dabei ggfs. für andere Werte herauskamen und ab wann die Bundesregierung von „nicht plausiblen Auffälligkeiten“ ausgeht, also bei welchem Faktor X über dem Grenzwert im realen Fahrbetrieb davon auszugehen sei (speziell Umrüstung VW: Fragen 11+12); allgemein bei der Nachprüfung von 60 Pkw: Frage 20:). Wobei: eines sagen sie dann doch, dass die Motorwerte und der Kraftstoffverbrauch sich nicht geändert haben (Frage 15). Weil sich sowieso eigentlich (fast) gar nichts ändert? Die ganze Umrüstung eine Farce ist?
Unklar ist weiterhin: Warum hat Bundesregierung von VW nicht die Offenlegung der Motorsteuerungssoftware verlangt und warum plant sie das nicht. Dies wäre allein deswegen notwendig um zu kontrollieren, ob VW nun keinerlei „Trickserei“ bei der Software mehr anwendet. Möglich ist das bereits jetzt schon im Ausnahmefall, das wird mit einem „Ja“ bestätigt (Frage 19). Für VW wird das aber weiter abgelehnt, hierbei wird auf eine frühere Antwort auf einer anderen Anfrage (18/6592) verwiesen. Diese lautet wie folgt:
(Frage) 33. Umfassen die Nachprüfungen auch die Offenlegung der Fahrzeugsoftware, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe des Staates ist, die Software eines Herstellers vollumfänglich auszuwerten (vgl. Plenarprotokoll vom 30. September 2015, S. 12231), auch wenn es Hinweise auf mögliche Abschalteinrichtungen gibt bzw. gegeben hat?
(Antwort) Die europäischen Vorschriften sehen im Rahmen der Nachprüfungen keine Offenlegung der Fahrzeugsoftware vor.
Aber: hier geht es nicht um eine Nachprüfung – das ist eher das, was der Minister unter Dopingtest versteht - sondern um die Kontrolle, ob ein Rechtsverstoß beseitigt wurde! Hier führt uns die Bundesregierung also bewusst in die Irre!
Die Bundesregierung sieht trotz des Millionenfachen Betrugs weiterhin keinen Anlass für Sanktionen gegen VW (Frage 18). Zudem bestätigt sie, dass solche Verstöße grundsätzlich lediglich eine Ahndung als Ordnungswidrigkeiten zur Folge hätten. Die mögliche Höhe von Geldbußen wurde gar nicht erst beantwortet. Die Bundesregierung „verwechselt“ weiterhin die Aufforderung zur Beseitigung eines bewusst rechtswidrigen Zustandes mit Strafen für diese Handlungen. Nur deshalb kann sie zu dem Schluss kommen, es sei „noch nicht erforderlich“ gewesen, entsprechende Ordnungswidrigkeitstatbestände zu verhängen.
Übertragen auf das Delikt des Diebstahls würde das bedeuten: man kann so viel stehlen wie man will. Das schlimmste, was einem passieren kann ist, dass man es zurückgeben muss. Nur wenn man das nicht tut, dann muss man ein Bußgeld zahlen.