In einem Fachgespräch am 12. September 2011 beleuchtete die Fraktion DIE LINKE die Pläne der Bundesregierung für eine vollständige Liberalisierung von Fernbus-Linienverkehren, die in Konkurrenz zum Fernverkehr der Bahn treten sollen (Vorträge des Fachgesprächs und Antrag der Linksfraktion). Erstaunlich war, dass selbst die Fachleute, die sich für eine Ausweitung des Busangebotes einsetzen, von den Plänen der Regierung nicht viel halten.
Konsens war, dass der Markt für solche neuen Buslinienverkehre erheblich überschätzt wird, einige sprachen gar von einem "Hype", der durch die reale Entwicklung keinesfalls gedeckt würde. Für kleine und mittlere Unternehmen wären Investitionen zudem mit erheblichen Risiken verbunden, sodass voraussichtlich nur große Unternehmen überhaupt in den Busmarkt einsteigen würden. Die Vermutung liege nahe, so die verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Leidig, dass es hier eine "Lex-Veolia" geben soll.
Des Weiteren war Konsens, dass es Buslinien vor allem auf etablierten Verbindungen mit vorhandenen Zugangeboten geben würde. Hier seifür die in den Markt eintretenden Unternehmer
das wirtschaftliche Potenzial absehbar, anders als auf neuen Verbindungen. Und wenn es abseits großer Städte Angebote gäbe, so zum Beispiel die bereits existierende Verbindung Wilhelmshaven – Berlin, sei dies mit zwei Verbindungen pro Woche keinesfalls mit einem Bahnangebot vergleichbar.
"Waffengleichheit" angestrebt
Dass nach derzeitiger Rechtslage die Bahn die Möglichkeit hat, im Genehmigungsverfahren von Busverkehren Stellung zu nehmen, wurde nur am Rande als Problem bezeichnet. Noch problematischer scheint es zu sein, dass derzeit die Länder jeweils für sich entscheiden, welche Fernbusangebote genehmigt werden. Der Bund hat auf eine Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert kürzlich sogar geantwortet, er wisse gar nicht, welche Fernbusverbindungen es in Deutschland überhaupt gäbe. Ilja Seifert fordert, dass es zumindest einen Stichtag gibt, ab dem zunächst alle neu zugelassenen Busse komplett barrierefrei sein müssen. Nach einer mehrjährigen Übergangsfrist müssten dann alle im Einsatz befindlichen (Fern-)Busse barrierefrei sein. Ansonsten würden Behinderte und sonstige Mobilitätseingeschränkte vom Busverkehr ausgeschlossen.
Fraglich ist aber, ob die von der Regierung vorgeschlagene Regelung überhaupt Gesetz wird. Im Bundesrat nun hat der Verkehrsausschuss einen Alternativ-Vorschlag beschlossen – der übrigens maßgeblich von den Ländern Berlin und Brandenburg, wo DIE LINKE mitregiert erarbeitet wurde. Darin werden die wichtigsten Forderungen für den Fall einer vollständigen Freigabe für Fernbusse aufgegriffen. So soll es zumindest eine "Waffengleichheit" zur Schiene geben, indem wie für schwere Lkw eine Bus-Maut auf Autobahnen eingeführt werden soll. Allerdings würde dies die Kosten der Fernbuslinien nur um fünf bis maximal zehn Prozent erhöhen.
Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE können Buslinien in bestimmten Relationen ein sinnvolles Angebot sein. Doch dass neue Verbindungen da entstehen, wo sie eine Ergänzung zum Bahnangebot wären, das erreicht man mit einer vollständigen Freigabe nicht. Zudem halten wir es politisch für einen Fehler, aus Unzufriedenheit mit dem Angebot und dem Preisniveau bei der Bahn nun auf Busse zu setzen. Auch wenn durch ver.di und EVG die Sorge vor Dumpinglöhnen bei neuen Busverbindungen ausgeräumt wurde - die in Frage kommenden großen Unternehmen haben alle Tarifverträge abgeschlossen - steht für uns an erster Stelle, dass wir die Bahn besser machen wollen. Schließlich ist diese trotz der Struktur einer AG zu 100 Prozent im Besitz des Bundes – so wie übrigens auch die weltweit als vorbildlich angesehenen Schweizer Bundesbahnen (SBB)!
Gesellschaftliche Allianz für eine bessere Bahn
Deutlich gemacht wurde im zweiten Themenblock nach der Mittagspause, dass die sogenannte Bahnreform 1994 für den Schienenpersonenfernverkehr gescheitert ist. Im Nahverkehr sind S-Bahnen und Regionalzüge weitgehend (sieht man von den spezifischen Problemen der Berliner S-Bahn einmal ab) ein Erfolgsmodell. Dies wird allerdings durch mittlerweile sieben Milliarden Euro an Bundeszuschüssen gewährleistet, während der Fernverkehr von ICE & Co. formal eigenwirtschaftlich betrieben wird. Welch Wunder, dass die Bahn immer wieder - aus ihrer betriebswirtschaftlichen Logik heraus - unrentable Strecken einstellt und sich dann die Aufrechterhaltung des Angebotes von den Ländern bezahlen lässt.
Genau in dieser Sandwichposition fuhr früher der Interregio, der im Jahr 2000 eingestellt wurde. Im Mittelpunkt stand deswegen zunächst das von Prof. Bodack vorgestellte, durchgerechnete Konzept für einen neuen Interregio. Deutlich wird, dass ein Zugangebot, welches gewährleistet, dass alle Oberzentren mit mindestens sechs Zugpaaren am Tag angebunden werden, weniger als 100 Millionen Euro im Jahr kosten würde. Damit könnte dem grundgesetzlichen Auftrag aus Art. 87e entsprochen werden, der eine Verantwortung des Bundes nicht nur für das Schienennetz sieht, sondern auch für die Fernverkehrs-Angebote auf diesem Netz.
In der sich daran anschließenden Diskussion wurde aber von verschiedenen Seiten eingefordert, dass man knapp 20 Jahre nach den Diskussionen über die Bahnreform gerade im Hinblick auf den Fernverkehr der Bahn eigentlich einen großen Wurf braucht: Eine Bahnreform II. In diesem Sinn plädierte der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze am Ende der Veranstaltung für eine "gesellschaftliche Allianz für eine bessere Bahn.“