Lärm macht krank! Endlich mehr Geld frei machen für Maßnahmen zur Verminderung des Schienenlärms
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- 11 Juli 2011
- von Sabine Leidig
Rede von Sabine Leidig (zu Protokoll) zur Beratung des SPD-Antrags "Bürgerinnen und Bürger dauerhaft vom Bahnlärm entlasten – Alternative Güterverkehrsstrecke zum Mittelrheintal angehen" (Drucksache 17/6452).
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum wiederholten Male ist der Bahnlärm Thema hier im Bundestag und wieder geht es um die Rheintalstrecke, deren Anwohnerinnen und Anwohner in teilweise wirklich unerträglicher Weise vom Bahnlärm betroffen sind. Die Bahn ist ein vergleichsweise umweltfreundlicher Verkehrsträger – aber wirklich verträglich für Anwohner, Umwelt und Klima wird er nur, wenn mehr Geld in die Schiene und insbesondere in den Lärmschutz investiert wird.
Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich eine Frage an die antragstellende SPD: Können wir nicht auf den höchst umstrittenen Hochmoselübergang verzichten, für den die Kosten gerade explodieren und der zudem von zweifelhaftem Nutzen ist? Brauchen wir das Geld nicht vielmehr für sinnvolle Schienenprojekte in Rheinland-Pfalz, z.B. eine Güterverkehrstrasse zur Entlastung des Mittelrheins?
Wir unterstützen die Aufforderung aus dem Antrag, „eine Machbarkeitsstudie hinsichtlich möglicher neuer Schienenverkehrstrassen und der Umleitung des Güterverkehrs über andere bestehende Bahntrassen sowie deren Ertüchtigung zu erstellen.“ Dies muss schnellstmöglich angegangen werden, um bei den Planungen von Anfang an eine Bürgerbeteiligung sicher zu stellen und trotzdem nicht erst in Jahrzehnten eine Entlastung der Rheintaltrasse zu erreichen.
Wir unterstützen außerdem das 10-Punkte-Programm „Leises Rheintal“. Für die besonders belasteten Abschnitte, bei denen andere Maßnahmen nicht zügig umgesetzt werden können und die Grenzwerte weiter überschritten werden, müssen die rechtlichen Möglichkeiten geprüft und ausgeschöpft werden, insbesondere nachts und für laute Güterzüge Geschwindigkeitsbeschränkungen oder sogar Fahrverbote anzuordnen. Zu prüfen sind auch die kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, die die Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V. fordert. Als mittelfristige Maßnahme fordern wir an den am höchsten belasteten Abschnitten bis 2015 eine Lärmsanierung vorzunehmen. Die Haushaltsmittel dafür sind zu verdoppeln.
Am 5. Juli haben sich Bundesministerium und Bahn auf die Umsetzung einer Forderung aus dem Antrag bereits verständigt: Die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise. Angesichts der Gesundheitsschäden, der Einbußen an Lebensqualität und der damit auch verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten ist das Ziel, innerhalb von acht Jahre den Großteil der Güterzüge auf Flüstertechnik umzurüsten, wenig ambitioniert. Sobald die Technik Serienreif ist, muss es deutlich schneller gehen und auch ein Datum gesetzt werden, ab dem diese Technik bzw. die Unterschreitung eines damit zu einzuhaltenden Lärmgrenzwertes für alle Güterwagen verpflichtend wird.
Die Bundesregierung muss nun auch zügig ein Gesetz vorlegen, mit dem der Schienenbonus wie im Koalitionsvertrag vorgesehen schrittweise reduziert und dann ganz abgeschafft wird. Den Stufenplan halten wir allerdings nicht für sinnvoll: Der Schienenbonus sollte ab 2012 ganz gestrichen werden. Neubaustrecken sollten gleich so gebaut werden, dass strenge Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Natürlich wird das erheblich teurer – wie es die Regierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage schreibt. Aber sollen Strecken gebaut werden, die dann nicht nachgerüstet werden können, von denen also für die weitere Zukunft eine ständige unzulässige Lärm- und damit Gesundheitsbelastung ausgeht? Wir müssen Infrastruktur für eine lebenswerte Zukunft bauen. Wenn wir endlich aufhören, Beton für ein Weiter-so in die Landschaft zu gießen, haben wir auch genügend Geld. Ein Weiter-so kann es beim Autoverkehr aber nicht geben – eine Ausweitung schon gar nicht. Autobahnbau ist daher von gestern.
Es ist zynisch, Lärmschutzmaßnahmen als unbezahlbar zu bezeichnen. Tatsächlich verursachen die physischen und psychischen, die sozialen und volkswirtschaftlichen Folgen der tagtäglichen Lärmbelastung immense Kosten, die sich unsere Gesellschaft nicht leisten kann. Das Geld ist da – es ist lediglich eine Frage der Prioritätensetzung. Brauchen wir Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 und immer weitere Hochgeschwindigkeitstrassen? Brauchen wir unsinnige Straßenprojekte wie den Hochmoselübergang? Wir sagen ganz klar nein!
Die Bahn muss in der Fläche entwickelt werden – so sozial- und umweltverträglich wie möglich. Lärmschutz ist dabei ein ganz wichtiges Element. Und: Die tatsächlichen (auch externen) Kosten des Straßenverkehrs müssen endlich den Verursachern angelastet werden. Wer den Straßenverkehr weiter subventioniert, aber kein Geld für Lärmschutz hat, handelt rückwärtsgewandt und verantwortungslos.