Schwabenstreiche bundesweit!
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- 14 Oktober 2010
- von Dominik Fette
Spätestens am 1.10., nachdem mit brutaler Polizeigewalt das vermutlich illegale Fällen (> swr, stern.de) der ersten Bäume im Stuttgarter Schlossgarten durchgesetzt wurde, ist Stuttgart 21 oder kurz S21 in aller Munde. Lange galt der Protest vielen als lokale Geschichte, bei der sich Gutmenschen um den Schutz einiger Parkbäume und ein altes Bahnhofsgebäude bemühen. Doch klar ist: Dies ist eine bundesweite Angelegenheit, bei der es auch um Demokratie und Machtfragen, um Transparenz und Lobbyeinfluss und die Frage nach dem Einsatz der knappen Haushaltsgelder im Allgemeinen geht – also auch um den Sozialstaat. Stuttgart 21 ist zudem ein Projekt zugunsten von Investoren und keines zur Verbesserung des Bahnverkehrs.
Daher hier der Aufruf, sich an lokalen Schwabenstreichen zu beteiligen, diese mit zu organisiert, auf vielfältige andere Art aktiv zu werden – denn:
- Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bringen für den Bahnverkehr mehr Nach- als Vorteile (> mehr).
- Die Möglichkeiten für die Stadtentwicklung durch das Projekt Stuttgart 21 sind ein Mythos.
- Bei Stuttgart 21 handelt es sich um eine Macht- und Gewaltdemonstration und um einen verheerenden Umgang mit Tradition, Denkmalpflege und Stadtkultur.
- Stuttgart 21 wurde nicht „demokratisch beschlossen“ - vielmehr wurden sittenwidrige Entscheidungen gefällt und Verträge wider Treu und Glauben unterzeichnet (> mehr).
- Stuttgart 21 treibt es auf die Spitze, ist aber kein Einzelfall: Auch an anderen Stellen werden Großprojekte mit Milliarden Steuergeldern finanziert, deren Nutzen für die Bevölkerung mehr als fragwürdig ist – die „demokratischen Entscheidungen“ werden nur zu oft mit mangelhaften Informationen gegen die Bevölkerung herbeigeführt und die Nutznießer sind Investoren und (Bau-)Konzerne (> mehr).
- Alles Gerede von „Verlässlichkeit und Rechtssicherheit demokratischer legitimierter politischer Entscheidungen“ (Dieter Hundt im Handelsblatt), zeigt das Demokratieverständnis dieser Herren: Für sie geht es nur um Investitionssicherheit und Absprachen im Hinterzimmer (> mehr).
- Ebenso das Gerede um Zukunftsfähigkeit und Innovation: Hier geht es nicht um eine sozial-ökologische Verkehrswende zugunsten von Mensch und Klima, sondern um die Förderung von globalen Konzernen durch 10 Jahre Bauzeit und „Vorzeigeprojekte“.
Mit den lokalen Schwabenstreichen müssen wir deutlich machen:
- Wir protestieren gegen diese Form der "Basta-Politik", die Arroganz der Macht und die Klientelpolitik auf allen Ebenen!
- Wir fordern eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auch in Form von direkte Demokratie!
- Wir wollen keine unsinnigen Großprojekte, die gegen den Willen der Bevölkerung durchgezogen werden und lediglich den Interessen von Investoren und (Bau-)Konzernen dienen!
(Hier möglicher Anknüpfungspunkt zu regionalen Großprojekten: Brücke über den Fehmarnbelt, A100, Y-Trasse, Elbvertiefung, Flughafenausbau, ...) - Wir fordern eine sinnvolle Mittelverwendung!
Zum Ausbau der Schiene sind an vielen Stellen Investitionen notwendig, um mehr Personen- und Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen und die Bahn attraktiver und für alle nutzbar zu machen!
(Hier kann gut ein lokaler Bezug eingebaut werden: Die barrierefreie Gestaltung des lokalen Bahnhofs, der Ausbau des Regionalverkehrs, ...)
Mitmachen/Protestieren/aktiv werden
Was ist eigentlich ein "Schwabenstreich"?
Der Schwabenstreich symbolisiert die Entschlossenheit, gegen die Entmündigung, wie sie bei Stuttgart 21 exemplarisch und besonders gravierend zum Ausdruck gekommen ist, vorzugehen und sich selbst Gehör zu verschaffen.
Alle, die sich am Schwabenstreich beteiligen, werden zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort (in der Regel Punkt 19:00h im Bahnhof) für eine Minute „infernalisch laut“. Der erste Schwabenstreich wurde am 28. Juli von Walter Sittler und Volker Lösch auf dem Stuttgarter Marktplatz initiiert (Rede, Video: Teil 1: Die Spielregeln / Teil 2: Läääärrrmmm!). taz-Bericht vom 6.8. 2010 Videos: Schwabenstreich in Köln, in Berlin, Seite zu Schwabenstreichen in Berlin.
Demoreden sind dabei nicht nötig, aber über Plakate, Banner und Flugis sollte die Botschaft rüberkommt.
Wo finden bisher Schwabenstreiche statt?
Karte und Auflistung nach Bundesländern (Karte mit Ausschnitt Stuttgart, lässt sich auf Bundesgebiet vergrößern)
Am Dienstag, 26.10. sollen bundesweit an allen Bahnhöfen Schwabenstreiche stattfinden. Das ist der Tag, an dem morgens um ca 7.30 Uhr der Protest-Kultur-Zug mit 600 Stuttgart 21-GegnerInnen in die Hauptstadt Am 26.10. morgens um ca 7.30 Uhr kommt der Sonderzug mit 600 Stuttgart 21-GegnerInnen in die Hauptstadt kommt. Einen ganzen Tag lang ziehen sie mit Musik, Kultur, Kabarett und Infos durch die Stadt, um Merkel & Co den Marsch zu blasen und die BerlinerInnen über ihren Widerstand gegen Stuttgart 21 zu informieren (Infos für Berlin). Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 (K21) und die AnStifter organisieren den Protest-Kultur-Zug von Stuttgart nach Berlin!
Ideen fürs Skandieren von Sprüchen bei Schwabenstreichen.
Liedtext „Freunde schöner Kopfbahnhöfe“ für den Bürgerchor von Timo Brunke.
Weitere Aktionsgruppen gegen Stuttgart 21:
Online aktiv:
Stuttgarter Appell unterzeichnen Parkschützer werden
Stuttgart 21-Kampagne von Campact (Massenmails an Mappus, Ramsauer, Grube):
Volksentscheid statt Polizeigewalt Statt nach dem brutalen Polizeieinsatz gegen "Stuttgart 21"-Gegner/innen politische Konsequenzen zu ziehen, lädt Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus zu Gesprächen ein, die nichts ändern sollen. Damit lassen wir ihn nicht durchkommen! Fordern Sie einen Baustopp und einen Volksentscheid!
Milliardengrab „Stuttgart 21“ stoppen! Milliardenbeträge sollen in „Stuttgart 21“ versenkt werden, die bundesweit beim Ausbau der Bahn als klimafreundliche Alternative zu Auto und Flugzeug fehlen.
Übersichtsseite zu S21 mit aktuellen Meldungen auf diesem Portal nachhaltig-links.de
Sechs Argumente gegen Stuttgart 21 - drei Vorschläge für nachhaltigen Verkehr und direkte Demokratie
Aktionsseite von DIE LINKE. Baden-Württemberg:
insbesondere KURSWECHSEL -
Zeitung für Baden-Württemberg, Oktober 2010
in dieser Ausgabe alles rund um Stuttgart 21.
Ausgabe Dezember 2010 - mit Kommentierung der Schlichtung
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Die zehnt wichtigsten Argumente zusammengestellt von K21.
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Argumente aus gewerkschaftlicher Sicht gegen Stuttgart 21
Umweltbundesamt bestätigt drohende weitere Kostensteigerung sowie geringen verkehrslichen Nutzen bzw. Nachteile von Stuttgart 21 gegenüber dem Ist-Zustand und möglichen kostengünstigeren Alternativen.
Die Studie des Umweltbundesamtes vom August 2010 trägt den Titel "Schienennetz 2025/2030. Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland". Sie wurde erstellt von Michael Holzhey, Referent bei der Task Force "Zukunft Schiene" beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrswissenschaft in Münster. Die Seiten 151-156 befassen sich mit Stuttgart 21. > mehr zur UBA-Studie.
Studie als Download, Presseinformation vom UBA dazu.
Vortrag von M. Holzhey in 5 Teilen auf youtube.
Frontal 21 (ZDF) vom 2.3. 2010: "Milliardengrab Stuttgart 21"
Video: Widerstand gegen den Widerstand. Aufklärungsvideo zu Stuttgart 21
Angabe zur Quelle auf youtube: Ein kleiner Kurzfilm zu Stuttgart 21, Entstanden mit und durch die Hilfe von http://www.creativ-sound-studio.de/ sowie sämtlichen informierten Parkschützern. Leider haben sich zwei Fehler eingeschlichen, die aus Zeitmangel nicht mehr korrigiert werden konnten:
1. Die Verspätungsquote im 5min. Bereich der DB, liegt bei 32% und nicht bei 68%
2. Über die "Spätzleconnection" wurde in "Frontal" und nicht bei "Monitor" berichtet
Das Faltblatt "klug kleckern statt klotzen" befasst sich mit Stuttgart 21 und der These, dass durch viele kleine Projekte viel mehr für Mensch und Umwelt erreicht wird als durch dieses Milliardengrab |
Stuttgart 21 ist nicht demokratisch legitimiert
Heike Hänsel im Interview der jw: „Zustimmung der Parlamente erschlichen“.
Verträge wurden wider Treu und Glauben unterzeichnet. Zum 6. Argument gegen S21.
Wer steckt dahinter? Wer hat welche Interessen? Das Machtkartell hinter Stuttgart 21
Öffentlichkeitsbeteiligung ist Messlatte der Demokratie: Ein Text von Lutz Heilmann über den systematischen Abbau der Öffentlichkeitsbeteiligung und Bürgerinitiativen gegen mangelnde Transparenz und Mauscheleien.
Die Frage nach dem Geld...
Angeblich gingen der Stadt und der Region Stuttgart ohne das Projekt Milliarden-Investitionen des Bundes, der DB AG und der EU verloren. Tatsache ist: Aus Brüssel kommt nicht viel (max. 114,47 Mio. Euro für den Ausbau der Strecke Stuttgart-Wendlingen; ggf. auch bei anderer Streckenführung > mehr), für die Ausgaben von Bund und Bahn stehen auch alle Schwaben mit ihren Steuerzahlungen gerade und für die Stadt selbst wird es richtig teuer: 1,2 Mrd. Euro berechnete das "Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21". Auch im "reichen Ländle" wird also bald das Geld für Schulen, Bibliotheken, Schwimmbäder etc. fehlen (tut es ja jetzt schon...).
Zur drohenden weiteren Kostensteigerung siehe die Studie des UBA sowie das Gutachten von Vieregg-Rössler "Ermittlung der wahrscheinlichen Kosten des Projekts Stuttgart 21" (Juli 2008) mit Kurzbericht und Video vom Vortrag am 15.12. 2009.
Stuttgart 21 ist verkehrspolitscher Unsinn
Vortrag von Michael Holzhey (KCW-Verkehrswissenschaftler & UBA-Gutachter):
„Stuttgart 21 + NBS Wendling Ulm – Analyse verkehrspolitischer Kollateralschäden“
(5 Teile auf youtube, Gesamtlänge ca. 50min.) M. Holzhey: "Bissle zu
verschwenderisches Nadelöhr mit negativen Auswirkungen auf den Bahnverkehr"!
Das Verkehrsplanungsbüro Vieregg-Rössler erstellte im Auftrag von Bündnis90/Die Grünen verschiedenen Studien.
Das Gutachten über die "Ermittlung der wahrscheinlichen Kosten des Projekts Stuttgart 21" (Juli 2008) mit Kurzbericht und Video vom Vortrag am 15.12. 2009
Das Gutachten zu den "Betrieblichen Mängeln des Projekts Stuttgart 21" (August 2008) und Kurzbericht dazu.
Übersicht weiterer Gutachten von Verkehrsexperten auf der Seite der K21-Initiative.
Kleckern statt klotzen: Wenn das Geld für viele kleine Projekte ausgegeben wird, bringt es den Menschen und auch der lokalen Wirtschaft viel mehr. Dies gilt für viele Großprojekte, die natürlich trotz dieser allgemeinen Tendenz differenziert betrachtet werden müssen. Der Spiegel hat am 5.10.2010 zehn Großprojekte in Deutschland beleuchtet unter der etwas reißerischen Überschrift: "Protest gegen Großprojekte. Barrikadenrepublik Deutschland."