Abriss des Südflügels in Stuttgart: Barbarischer Akt der Machtdemonstration wider Moral und Gesetz
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- 13 Januar 2012
- von Winfried Wolf
Der Abriss ist eine barbarische Machtdemonstration. Er ist nicht erforderlich aufgrund des Fortschritts beim S21-Baus. Im Gegenteil - die eigentlich beim S21-Bauvorhaben anstehenden nächsten Schritte sind blockiert aufgrund des Juchtenkäfer-Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, d.h., da Bäume nicht gefällt werden können, kann das Grundwassermanagement nicht weiter aufgebaut werden. Womit wiederum jeder größere Fortschritt im Bau blockiert ist. Diese Machtdemonmstration verfolgt, ähnlich wie vor eineinhalb Jahren, als der Nordflügel dieses denkmalgeschützten Gebäudes zertrümmert wurde, in erster Linie das Ziel, die Bewegung gegen das zerstörerische Monsterprojekt des Untergrundbahnhofs zu demoralisieren. Dabei konnte gerade in den letzten Wochen und Tagen dokumentiert werden, dass der Erfolg in der Volksabstimmung vom 27. November 2011 zu einem erheblichem Teil Ergebnis von Lug, Betrug und Volksverdummung ist. Bei dieser Volksabstimmung musste der größte Teil der baden-württembergischen Bevölkerung davon ausgehen, dass S21 zumindest eine - teuer erkaufte, aber reale - Kapazitätserweiterung des Stuttgarter Hauptbahnhofs mit sich bringen wird. Inzwischen kann dokumentiert werden - und haben wir als Bahn für Alle mit der Sonderzeitung zu S21 (PDF, 2443KB), die am 30.12. 2011 der taz beilag, dokumentiert: S21 bedeutet real einen Kapazitätsabbau des Schienenknotens in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Um diese zu vertuschen, haben die Betreiber des Projekts den sogenannten Stresstest, den es dazu im Juli 2011 gab und in dem die größere Kapazität von S21 gegenüber dem bestehenden Kopfbahnhof belegt werden sollte, systematisch manipuliert, ja gefälscht.
Dass das so ist, haben wir gemeinsam mit Dr. Christoph Engelhardt und der Gruppe WikiReal.com in der genannten Sonderpublikation und auf der Bahn für Alle-Pressekonferenz am 29. Dezember 2011 in der ehemaligen Bundesbahndirektion in Stuttgart vor rund 100 Vertretern von Medien und der Protestbewegung gegen S21 deutlich gemacht. Wir stellten damals und wir stellen bis heute mit großem Erstaunen fest: Über unsere im Detail belegten Vorwürfe des systematischen Betrugs - ein Vorwurf, gegen den die Deutsche Bahn AG oder SMA in Zürich ja klagen könnten, was sie wohlweislich unterlassen! - wird in den Medien schlicht nicht berichtet. Die größte regionale Zeitung im Südweststaat ließ gegenüber uns auf ein entsprechendes Angebot zur Dokumenation der Vorwürfe sogar mitteilen, man habe beschlossen, über Stuttgart 21 "nicht mehr zu berichten". Der investigative Journalismus in diesem Land, der - wohlgemerkt: zu Recht! - auf Hochtouren dort läuft, wo das Engagement derzeit im Mainstream liegt und von BILD & FAZ mitgetragen wird - etwa bei den Recherchen zum Häuslebauer mit Sonderkonditionen und Schloss-Bellevue-Wohnsitz - ist dann plötzlich völlig abgetaucht, wenn die Milliarden-Interessen in Spiel kommen, die mit S21 verbunden sind. Und, das sei auch erwähnt, wenn sich diese Recherchen auch einer Landesregierung zuwenden müssten, die gewählt wurde, um den Sumpf auszutrocknen, der sich unter Filbinger-Teufel-Oettinger-Mappus entwickelt hatte, .... und nicht zuletzt: um Stuttgart 21 zu verhindern.
Denn natürlich ist die grün geführte Landesregierung keineswegs nur passiver Zuschauer bei dem, was sich derzeit in der Landeshauptstadt und beim Stuttgrter Hauptbahnhof abspielt. Sie hätte die Macht, Stuttgart 21 zu verhindern oder zumindest ein weiteres Moratorium zu erreichen bis die offenen rechtlichen Fragen geklärt, bis die Betrugsvorwürfe ausgeräumt wurden - und bis alle wichtigen Abschnitte des S21-Projekts planfestgestellt sind. Es sei daran erinnert, dass Winfried Kretschmann als Grünen-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg am 15. Februar 2011 einen Offenen Brief an Bahnchef Grube schrieb. In diesem Offenen Brief forderte Kretschmann Grube auf, "bis zum Abschluss aller offenen Planungen (...) keine weiteren Fakten zu schaffen". Der Offene Brief ist (bisher zumindest) nachzulesen auf der Website von Winfried Kretschmann. Der Ministerpräsident Kretschmann könnte den Worten des Wahlkämpfers Kretschmann Taten folgen lassen. Schließlkich sind zentrale Bauabschnitte von S21 nicht nur nicht plangfestgestellt; die Bahn hat auch die Unterlagen für eine solche Planfeststellung nicht neu eingereicht. Kretschmann könnte für S21 die Richtlinienkompetenz an sich ziehen und allen Maßnahmen, mit denen neue "Fakten geschaffen" werden, ohne dass S21 als Ganzes Rechtens ist, Einhalt gebieten. Nicht zuletzt ist Kretschmann als Ministerpräsident und "Landesvater" zugleich verantwortlich für die Polizei, die in der vergangenen Nacht und in den nächsten Tagen vor dem Südflügel die nächsten Schritte zur Zerstörung des Bonatzbaus schützt.
Die Rechnung der S21-Betreiber, mit der Zerstörung des Südflügels des Hauptbahnhofs die Bewegung gegen Stuttgart 21 zu demoralisieren, wird nicht aufgehen. Seit Ende 2009 entwickelte sich die Bewegung gegen S21 zu einer Massenbewegung. Es gibt Hunderttausende Menschen hierzulande, vor allem in Stuttgart und in der Region, die ein immenses Wissen über die Zerstörungskraft von S21, über die Lügen, die mit ihm verbunden sind, und über die Gruppen, Personen und Unternehmen, die allein von diesem Projekt profitieren, angesammelt haben. Aufgrund dieser Kenntnisse und aufgrund der Tatsache, dass die Massenbewegung sich immer neu auf den Straßen und Plätzen - und in der letzten Nacht vor dem Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs - manifestiert, wird der barbarische Akt, den die S21-Betreiber in jetzt beginnen, als das verstanden werden, was er ist: als pure Demonstration von Macht und Gewalt - wider Moral, Recht und Gesetz.
Die Losung in Stuttgart ist die unsere:
OBEN BLEIBEN! Aufrecht gehen! Weiterkämpfen!