Europareisen ohne Fliegen ist möglich
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- 1 Oktober 2019
Ein großer Teil der Flüge von und zu deutschen Flughäfen sind Verbindungen in andere Länder Europas. Besonders mit dem Aufkommen der Billigflieger seit den 1990er Jahren haben sich die Fahrgastzahlen auf vielen Strecken vervielfacht, der berühmte Wochenendtrip in andere europäische Großstädte ist für viele normal geworden – mit den bekannten Auswirkungen auf das Klima, die Umwelt und nicht zuletzt für die Anwohnerinnen und Anwohner der Flughäfen.
Im Rahmen der wachsenden Klimabewegung wird auch diese Art des Fliegens immer stärker hinterfragt. Mit „Stay Grounded“ (www.stay-grounded.org) gibt es inzwischen ein weltweites Netzwerk, das sich für eine Reduktion des Flugverkehrs einsetzt. Während die meisten wohl ein Shoppingwochenende in London kaum notwendig finden werden, möchten wir auf andere – besonders längere – Reisen wohl kaum grundsätzlich verzichten. Aber wir können wir hier in Zukunft klimafreundlich unterwegs sein?
Diese und viele weitere Fragen wurden auf der „Degrowth of Aviation“-Konferenz von „Stay Grounded“ im Juni in Barcelona aufgeworfen. 200 Menschen aus ganz Europa kamen – ohne einen einzigen Flug – dorthin, und einige weitere haben online teilgenommen. Der Ort der Konferenz war dabei nicht zufällig gewählt, da die Stadt Barcelona wie kaum eine andere von wahren Touristenmassen besucht wird. Viele Menschen empfinden diesen Tourismus, der mit massiv steigenden Preisen und der Verdrängung insbesondere weniger wohlhabender Menschen aus der Innenstadt verbunden ist, als eine Ausbeutung der Stadt, und eine wachsende Bewegung kämpft dagegen an (weitere Informationen auf Englisch unter https://stay-grounded.org/barcelona-a-city-exploited-by-tourism/). Die meisten der Kurzzeittouristen kommen mit dem Flugzeug in Barcelona an, womit sich die lokalen Probleme und die Kritik an dem massenhaften Flugverkehr verbinden.
Auf der Konferenz wurden vielfältige Maßnahmen zur Reduktion des Flugverkehrs diskutiert – von einer Kerosinsteuer über eine progressive Flugverkehrssteuer, die mit der wachsenden Anzahl der Flüge höher wird, bis hin zu Verboten von Kurzstreckenflügen. Aber es ging nicht nur um die Reduktion des Fliegens sondern ebenso um die Alternativen, damit wir auch in Zukunft noch Fernreisen unternehmen können. Als Ersatz für den Flug drängt sich hier vor allem die Bahn auf, und für längere Reisen insbesondere der Nachtzug, mit dem sich 1000 Kilometer und mehr bequem über Nacht zurücklegen lassen. Leider sind viele europäische Bahnen aus dem Nachtzugverkehr ausgestiegen (der letzte Nachtzug der Deutschen Bahn ist im Dezember 2016 abgefahren) oder behandeln ihn allenfalls stiefmütterlich. Einhellig wurde daher die Wieder-Herstellung eines europaweiten, vernetzten Nachtzugnetzes gefordert, das überdies auch mit den wichtigen Schiffsverbindungen beispielsweise auf die Mittelmeerinseln oder nach Großbritannien verknüpft sein sollte. Vor dem Aufkommen der Billigflieger gab es vieles davon schon einmal, und in Zeiten von immer mehr Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken wären teilweise sogar noch länger laufende Verbindungen durch Europa möglich.
Für noch weitere Reisen über Europa hinaus wurden unter anderem neue Arbeitszeitmodelle diskutiert, die beispielsweise für eine wirklich weite Reise alle paar Jahre einen längeren Urlaub über mehrere Monate ermöglichen würden. Damit könnte es möglich werden, sich wirklich Zeit zum Erleben anderer Länder zu nehmen, wenn man schon einen Flug dorthin antritt – oder vielleicht sogar mit dem Schiff statt mit dem Flugzeug zu reisen. Oder sollte es sogar Extra-Urlaub für diejenigen geben, die explizit auf das Fliegen verzichten – als Ausgleich für die längere Reise? Die Diskussionen und Ergebnisse der Konferenz sind hier – auf Englisch und teilweise auf Spanisch – zusammengefasst: https://stay-grounded.org/conference/
Die „Degrowth of Aviation“-Konferenz endete mit einer gemeinsamen Protestaktion am Flughafen Barcelona, der nach dem Willen der Stadt für den weiter wachsenden Tourismus ausgebaut werden soll. Dieses Projekt wäre sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner Barcelonas als auch für das Klima eine Katastrophe, weshalb die Aktivistinnen und Aktivisten eine menschliche rote Linie im Abflugbereich des Flughafens gebildet haben. Die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer haben mit ihren Reisen zu und von der Konferenz selbst gezeigt, dass ein langsameres und bewussteres, aber oft auch erlebnisreicheres Reisen durch Europa auch ohne Flugzeug möglich ist.
Informationen zu den Ergebnissen der „Degrowth of Aviation“-Konferenz in Barcelona sind hier zu finden: https://stay-grounded.org/conference/
Hier kann die europäische Petition für eine Besteuerung von Kerosin unterzeichnet werden: https://eci.ec.europa.eu/008/public/#/initiative