Klimaschutz im Verkehr braucht mehr als das Elektroautos

imredesabine06Rede von 11.11.2010 zum Antrag der Koalition sowie der anderen Fraktionen zum Thema Elektromobilität. (Antrag der LINKEN)
"Wir fordern Sie auf, ein Programm zu entwickeln, wie diesem Autowahnsinn ein Ende bereitet werden kann. ... Die öffentlichen Mittel müssen dorthin gelenkt werden, wo Elektromobilität seit 120 Jahren Standard ist, wo sie einen viel besseren Beitrag zum Klimaschutz leisten können: Ich denke an die Bahnen, die Straßenbahnen und die (Trolley-)Busse. Auf diese Weise würde Steuergeld vernünftig eingesetzt und würde allen zugute kommen, nicht nur den Kaufkräftigen, die sich ein Elektroauto als Zweit- oder Drittwagen leisten können."
 
 

Übersicht zu den Anträgen

 

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Der Antrag, den die Koalition hier vorgelegt hat, hat einen wirklich vielversprechenden Anfang, dem ich aus vollem Herzen zustimmen kann. Ich zitiere:

"Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ergibt sich die Chance, unsere Mobilität neu zu denken. Schwindende Ressourcen und die Veränderung des Klimas werfen die Frage auf, wie wir in Zukunft nachhaltige und bezahlbare Mobilität gewährleisten wollen."

Die Antwort allerdings, die Sie geben, ist völlig unbefriedigend. Konkret schreiben Sie:

"Ziel der Bundesregierung ist, dass bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren …"

Als Tiger gesprungen und sogleich als Bettvorleger gelandet. Das ist nicht komisch, sondern das ist ziemlich tragisch; denn tatsächlich wäre ein umfassendes Programm notwendig, um die Mobilität nachhaltig zu gestalten.
Der Kollege Jung hat vorhin einiges davon angesprochen, aber in dem Antrag findet sich gar nichts. Es geht nämlich darum, dass auch in Zukunft alle Leute all die Orte, an denen gesellschaftliches Leben stattfindet, erreichen können, auch wenn das Benzin erheblich teurer wird und ohne dass sie dabei das Klima und die Umwelt zerstören.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wären vor allen Dingen neue Perspektiven bei der Raumplanung und bei der regionalen Entwicklung notwendig, damit die Wege kürzer werden und der Verkehr reduziert wird. Wir müssen die Zutaten für einen Joghurt nicht aus ganz Europa herankarren, es muss auch nicht sein, dass die Kinder immer weitere Schulwege und die Eltern immer weitere Wege zur Arbeit haben.

(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der FDP: Früher ging es auch ohne Bananen!)

Das Schlimme ist aber, dass Sie daran festhalten, dass immer mehr, immer höher, immer schneller und immer weiter gefahren werden muss. Wir haben heute Morgen mit Verkehrsminister Ramsauer in der Sondersitzung zur Überprüfung der Bedarfspläne für Straßen und Schienen gesessen. Auf der Grundlage dieser Bedarfspläne wird entschieden, was mit Bundesmitteln gebaut wird. Sie stellen fest, dass weitere 5 500 Straßenkilometer betoniert werden sollen.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU))

Sie gehen davon aus, dass unsere Bevölkerung in den nächsten 15 Jahren zwar schrumpft, dass aber die Zahl der Autos trotzdem um 13 Prozent zunimmt. Das heißt, die 1 oder 2 Prozent Elektroautos, die Sie als Klimaretter preisen, werden glatt überrollt. Es ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, was Sie hier anbieten.

Die Bundesregierung muss zügig und konsequent dafür sorgen, dass die im Straßenverkehr ausgestoßenen CO2-Mengen reduziert werden, und zwar unabhängig von der Antriebstechnologie. Das Umweltbundesamt hat ganz konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, wie man den Spritverbrauch mit der vorhandenen Technik um 30 Prozent reduzieren könnte.
Aber Sie machen das Gegenteil: Sie verhindern, dass auf europäischer Ebene harte CO2-Obergrenzen festgelegt werden, damit die großen deutschen Autos weiter verkauft werden können. Sie denken überhaupt nicht daran, das Dienstwagenprivileg infrage zu stellen, obwohl damit auf Kosten der Steuerzahler gerade die großen Maschinen gefördert werden, die einen hohen Spritverbrauch und einen hohen CO2-Ausstoß haben. Mit Ihrem Effizienzlabel, das Sie wollen, bekommt sogar ein Porsche Cayenne, der 12 Liter pro 100 Kilometer verbraucht, die Bestnote. Das finde ich ausgesprochen traurig. Das hat mit Nachhaltigkeit überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern Sie auf, ein Programm zu entwickeln, wie diesem Autowahnsinn ein Ende bereitet werden kann. Die Unternehmen haben hohe Renditen erzielt. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, ihnen Entwicklungskosten abzunehmen oder ihre Produkte zu subventionieren. Stattdessen müssen die öffentlichen Mittel dorthin gelenkt werden, wo Elektromobilität seit 120 Jahren Standard ist, wo sie einen viel besseren Beitrag zum Klimaschutz leisten können: Ich denke an die Bahnen, die Straßenbahnen und die Busse. Trolleybusse stellen übrigens eine hervorragende elektromobile Form dar. Ihr Betrieb ist in unseren Städten eingestellt worden, sie erleben aber in anderen Städten eine neue Blüte.
Auf diese Weise würde Steuergeld vernünftig eingesetzt und würde allen zugute kommen, nicht nur den Kaufkräftigen, die sich ein Elektroauto als Zweit- oder Drittwagen leisten können.

Besten Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Anträge der Fraktionen zum Thema Elektromobilität:
DIE LINKE: Klimaschutz im Verkehr braucht wesentlich mehr als Elektroautos
CDU/CSU und FDP: Mobilität nachhaltig sichern – Elektromobilität fördern
SPD: Nachhaltige Mobilität fördern - Elektromobilität vorantreiben
Bündnis 90/Die Grünen: Mit grüner Elektromobilität ins postfossile Zeitalter

> zur Übersicht der Bundestagsreden zum Thema Verkehr

> zur Übersicht Parlamentarisches