Bundesregierung: Bedarfs- und Kapazitätsüberprüfung erst später, möglicherweise keine Güterzüge - Transparenz sieht anders aus!
- Details
- 18 Oktober 2010
- von Dominik Fette
Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag erhielt die Antworten zu den Kleinen Anfragen
- zu den Neubaustrecken Nürnberg-Ingolstadt und Wendlingen-Ulm
- zu den Kapazitäten von Stuttgart 21
Hier gibt es die Fragen, Antworten und Kommentare dazu.
Antworten der Bundesregierung auf Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKEN.
- "Schienengüterverkehr auf den Neubaustrecken Nürnberg–Ingolstadt und Wendlingen–Ulm"
- "Verringerung der Kapazität durch Stuttgart 21"
vom 13.10. 2010 "Trickserei rund um Stuttgart 21"
- Bedarfsplan (Nutzen-Kosten-Verhältnis) seit 1992 nicht überprüft!
- An der seit Ende 2009 überfälligen Überprüfung der Bedarfspläne wird
immer noch gearbeitet - solange gerechnet, bis das ergebnis stimmt...
vom 18.10. 2010 "Bundesregierung drückt sich vor neuer Prüfung von Stuttgart 21"
- Überprüfung durch das Eisenbahnbundesamt erst nach Baubeginn vorgesehen!
- Fraglich, ob jemals Güterzüge auf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm fahren werden.
Kommentar von Gerrit Schrammen, Verkehrsreferent der Fraktion DIE LINKE., zur Überprüfung durch das Eisenbahnbundesamt:
Für Stuttgart 21 fehlt die sog. Stillegungs-Genehmigung! Die ist erforderlich, weil der Umbau zu einer Reduzierung der Kapazität führt: statt 17 soll es zukünftig nur 8 Gleise geben. Selbst wenn dies Durchgangsgleise sein werden, können nur acht Züge gleichzeitig halten, nicht 17! Nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) muss auch bei einer "mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke" ein Stilllegungsverfahren durchgeführt werden. Die Genehmigung ist in diesem Fall durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Aufsichtsbehörde im Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde zu erteilen. Im "Eisenbahnrecht" (Wolfgang Kunz (Hrsg.) Baden-Baden, 1994, Stand 1. August 2010) heißt es, dass § 11 Absatz 1 Satz 1 AEG "auch die für den Betriebsablauf wichtigen Bahnhöfe" erfasst.
Die Bundesregierung nun veräppelt das Parlament, in dem sie schreibt (Frage 5/6), dass eine Genehmigung auch erst dann erfolgen könne, wenn der Umbau bereits erfolgt ist. Der Sinn ist aber gerade, dass diese vorher eingeholt werden muss, um Stilllegungen bzw. einen Rückbau zu verhindern! In der Antwort auf die erste Frage führt die Bundesregierung schon mal vorsorglich aus, dass man diese Genehmigung eigentlich nicht bräuchte, weil der neue Bahnhof ja mehr leisten würde als der alte - was aber definitiv nicht stimmt!
Der „Stern“ vom 8. Juli 2010 veröffentlichte in einem Beitrag von Arno Luik Auszüge aus der Studie der renommierten schweizerischen Firma sma + Partner vom Juni 2008 zum Projekt Stuttgart21. Diese Studie belegt, dass durch Stuttgart21 eine deutliche Verringerung der Kapazität erfolgen würde. In dem sma + Partner-Bericht wird festgestellt, dass es bei Realisierung von Stuttgart21nur noch „eine geringe Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplans“ gebenwürde, dass Stuttgart21 insgesamt ein„schwer beherrschbares Gesamtsystem“ sei und dass Stuttgart21 auf mehreren Verbindungen des S- und Regionalbahnverkehrs mit Fahrtzeitverlängerungen verbunden wäre (z. B. auf der IRE-Strecke Stuttgart–Tübingen und auf der Gäubahn). Bei einzelnen Zügen seien Standzeiten im neuen Durchgangsbahnhof von bis zu 12 Minuten erforderlich. Der für eine qualitative Verbesserung des Schienenverkehrs erforderliche Integrale Taktfahrplan wäre bei Verwirklichung von Stuttgart21 ausgeschlossen. Insgesamt würde der neue Bahnhof zu einem Nadelöhr.
Pressemitteilung vom 13.10. 2010 zur Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage zur Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (Sabine Leidig, MdB):
Trickserei rund um Stuttgart 21
„Die Bundesregierung spielt bei Stuttgart 21 weiter mit verdeckten Karten: Die Antworten aus dem Verkehrsministerium legen nahe, dass noch fleißig gerechnet wird, bis für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ein Nutzen-Kosten-Verhältnis herauskommt, dass ein Festhalten an diesem Projekt rechtfertigt.“ erklärt Sabine Leidig zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage ihrer Fraktion zum „Schienengüterverkehr auf den Neubaustrecken Nürnberg-Ingolstadt und Wendlingen-Ulm“ (Drucksache 17/3021).
Die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:
„Bei der mit dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 verknüpften Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wurde seit 1992 kein neues Nutzen-Kosten-Verhältnis berechnet (Antwort auf Frage 21). Entgegen der Mitteilung im Obleutegespräch1 wird nun behauptet, dass die aktuelle Bedarfsplanüberprüfung noch nicht abgeschlossen sei (Antwort auf Frage 27).
Ein Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes2 geht davon aus, dass der sehr hohe Aufwand von 9 bis 11 Mrd. Euro in keinem Verhältnis zum geringen verkehrlichen Nutzen steht. Zu vermuten ist, dass jetzt auch bei der Bedarfsplanüberprüfung herauskam, dass Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm unwirtschaftlich sind. Nun muss wohl noch bis Ende November an den Zahlen gedreht werden, bis dann doch noch ein Nutzen-Kosten-Verhältnis präsentieren werden kann, das den Bau legitimiert.“
1) Im Obleutegespräch des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 6.10. 2010. Aus „terminlichen Gründen“ könnten die Ergebnisse jedoch erst am 24. oder 25. November von BM Ramsauer vorgestellt werden.2) Michael Holzhey, KCW GmbH, Berlin im Auftrag des Umweltbundesamtes: Schienennetz 2025/2030 Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland. Dessau-Roßlau, August 2010. S. 153. pdf-Download.
Pressemitteilung vom 18.10. 2010 (Sabine Leidig, MdB):
Bundesregierung drückt sich vor neuer Prüfung von Stuttgart 21
"Zukunftsfähige Politik kann nur unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger gestaltet werden. Das setzt jedoch eine umfangreiche Information voraus. Im Fall von Stuttgart 21 drückt sich die Bundesregierung davor, Informationen freizugeben oder rechtzeitig eine sachliche Prüfung durchführen zu lassen", kritisiert Sabine Leidig. Die verkehrspolitischer Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter: "Weil der LINKEN die Einbindung der Betroffenen vor Ort ein besonderes Anliegen ist, hat sie für die Anhörung zu Stuttgart 21 am 10.11. 2010 im Verkehrsausschuss des Bundestages den Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler benannt, der sich engagiert mit dem Projekt befasst hat.
Zum Projekt Stuttgart 21 wurden reihenweise Gutachten erstellt, die vor allem die jeweilige Position der Auftraggeber bestätigen. Eine neutrale Prüfung der Leistungsfähigkeit des neuen Bahnknotens durch das Eisenbahnbundesamt wird es erst nach Baubeginn geben. Der Bundesregierung scheint das zu reichen, vermutlich weil sie ein negatives Ergebnis fürchtet. Das legt ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN nahe (BT-Drs. 17/3136).
Aus ihrer Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage (BT-Drs. 17/3021) geht hervor, dass die Regierung nicht garantieren kann, dass jemals Güterzüge auf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm fahren werden. Es gebe dazu keine entsprechende vertragliche Vereinbarung, die Entscheidung darüber treffe allein die DB Netz. Dadurch wird der Nutzen des Projekts insgesamt noch mehr in Frage gestellt."