Rede bei der aktuellen Stunde zum Schlichterspruch zu S21
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- 17 August 2010
- von Sabine Leidig
Werte Präsidentin!
Kolleginnen und Kollegen!
Ich fürchte, dieser Schlichterspruch ist ein Lehrstück der ganz besonderen Art. Die Bürgerinnen und Bürger haben nämlich gelernt, dass sie zwar mitreden und mitdiskutieren können, dass sie aber dann, wenn es um Mitbestimmung und Entscheidungen geht, in die Zuschauerrolle verbannt werden. Ist also der Souverän doch kein Citoyen, sondern ein TV-Konsument? Ich finde das Ergebnis, das bei diesem Schlichtungsprozess herausgekommen ist, ziemlich bedrückend.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Ich glaube, sie fängt gleich an, zu weinen!)
Ich versichere Ihnen: Die Leute, die in Stuttgart monatelang auf die Straße gegangen sind, fühlen sich beschissen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten über Monate auf der Straße gestanden, Sie hätten mit all der Kraft Ihrer Argumente und Ihrer Überzeugung durchgesetzt, dass nach Jahren endlich ein Prozess der Transparenz angestoßen wird und endlich die Fakten auf den Tisch kommen. Das war mühsam. Zehntausende haben über Monate hinweg diesen Schritt durchgesetzt, erzwungen. Denn es wurde ihnen nicht angeboten, über dieses Projekt zu diskutieren,
(Birgit Homburger (FDP): Doch! Selbstverständlich!)
sondern die Diskussionen wurden durch die Demonstrationen und das bürgerschaftliche Engagement, das die Leute auf der Straße gezeigt haben, durchgesetzt.
(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring (FDP): Zerrbild des Prozesses!)
Was wir bei dieser Schlichtung, die sich über viele Runden erstreckt hat, zur Kenntnis genommen haben, waren unheimlich viele neue Tatsachen, die auch dem Parlament bis dahin unbekannt waren. Ich will Ihnen noch etwas sagen: Der Schlichterspruch besagt im Kern auch, dass Stuttgart 21 ein schlechtes, ein unnützes und ein viel zu teures Projekt ist und dass das Alternativmodell viel sinnvoller wäre. Herr Geißler sagt in seinem Schlichterspruch, dass er trotzdem dafür ist, dass das schlechte, unsinnige und milliardenteure Projekt umgesetzt wird, weil die Bahn es erzwingt, indem sie mit einer Klage droht, und weil die Herrschenden nicht bereit sind, den besseren Argumenten nachzugeben.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Die Bahn sind „die Herrschenden“? Um Gottes Willen!)
Das ist ein demokratischer Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Macht immer am längeren Hebel sitzt, dann ist die Demokratie verloren. Ich sage Ihnen: Wir werden das nicht zulassen, und die Leute werden es sich nicht gefallen lassen. Wir werden weiter auf die Straße gehen und mit allen friedlichen Mitteln für volkswirtschaftliche Vernunft und dafür eintreten, dass das Volk der Souverän ist und nicht Herr Geißler, und schon gar nicht die Bahn.
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